0036 - Wir spielten hinter den Kulissen
nippen, nicht wahr? Das sähe ja so aus, als gönne man ihm nur einen Bruchteil des gewünschten langen Lebens. Aber Sekt ist ja zum Glück nicht sehr stark alkoholhaltig, da kann man schon ein paar Gläschen vertragen. Abgesehen davon, dass eine Party bei Charles selten ohne Schwips abgeht. Er hat einfach zu gute Getränke, wissen Sie?«
»Oh ja, ich habe es heute Abend gemerkt. Ganz gleichgültig, was für ein Getränk man sich bringen lässt, alles ist erste Klasse.«
»Ja, das war immer sein Stolz. Vom Besten das Beste, anders ging es bei ihm nicht.«
»Wie viel Gläser haben Sie denn auf seine Gesundheit geleert? Sicher eine ganze Menge, was?«
»Hahaha! Und wie! Sechsmal hintereinander hieß es Ex! Die Damen bekamen schon leuchtende Augen. Wissen Sie, es ist ja zu herrlich, wenn Damen einen kleinen, niedlichen Schwips kriegen. Ihre Augen leuchten dann immer so eigenartig, ganz merkwürdig.«
»Und Sie haben immer nur Sekt getrunken? Mochten denn das alle? Es gibt doch viele Leute, die lieber einen Whisky trinken oder einen Sherry.«
»Ja, sicher. Aber bei so einem Anlass ist doch Sekt das Gegebene. Und dann stand hinter uns auf dem Kaminsims ja auch gleich eine ganze Batterie Sektgläser, da waren wir also gewissermaßen direkt an der Quelle.«
»Sie haben einfach ein neues Glas genommen und den nächsten Toast ausgebracht, was? Oder hat man die leeren Gläser behalten und immer nachgeschenkt?«
»Wo denken Sie hin? Jedes Glas wurde nur einmal benutzt! Es waren doch genügend da!«
»Ja, ja, natürlich. Die Diener schleppten ja dauernd neue Tabletts herein, wie ich beobachtete. Na, ich werde mir einen Whisky holen, ich kann ihn brauchen nach dieser Aufregung.«
Mit diesem Vorwand entfernte ich mich wieder. Und jetzt wusste ich auch, wie Nummer zwei der Handlungen des Mörders vor sich gegangen war. Eigentlich war alles ganz einfach, sobald man den richtigen Einfall gehabt hatte. Und um auf diesen zu kommen, brauchte man nur ein bisschen nachzudenken…
***
Ich trank noch einen Whisky, dann hatte ich meinen Entschluss gefasst. Was sollte ich noch hier herumsitzen? Erfahren konnte ich nicht viel mehr, und sinnlos die Nacht um die Ohren zu schlagen, das war nicht mein Fall.
Im Obergeschoss fand ich Ben Gorry, der noch immer mit dem Arbeitszimmer beschäftigt war.
»Hören Sie, Gorry«, sagte ich. »Ich möchte nach Hause gehen. Haben Sie etwas dagegen? Ich habe morgen früh wieder Dienst, und hier kann ich Ihnen doch nicht helfen.«
»Ihre Aussage? Der Ordnung halber muss ich sie genauso vernehmen wie die anderen Gäste auch.«
»Tippen Sie Phils Aussage zweimal, die Zweite unterschreibe ich. Für die Unterschrift komme ich morgen im Laufe des Tages zu Ihnen ins Office. Einverstanden?«
»Sicher, Cotton. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, ginge ich auch schlafen. Ihr Freund Phil scheint aber sehr unruhig zu sein. Er summt wie eine aufgeregte Biene durchs Haus und steckt seine Nase in jeden Winkel.«
»Ja, er hat manchmal seine aktiven Tage, da möchte er jeden Fall am liebsten in Nonstop-Arbeit klären. Er wird’s schon wieder leid werden, Sie zu stören.«
»Oh, er stört mich nicht. Ganz im Gegenteil, er gab mir schon einige nützliche Hinweise. Also dann: Gute Nacht, Cotton!«
»Gute Nacht, Gorry! Und sagen Sie meinem Freund, dass ich nach Hause gefahren bin!«
»Wird gemacht.«
Ich ging die Treppe hinunter, nach draußen, den Weg entlang zum Tor, und dort kletterte ich in meinen Jaguar. Mit aufheulendem Motor schoss ich zur Einfahrt hinaus.
Aber ich fuhr nicht in Richtung Heimat. Ich hatte mir für die Nacht noch ein paar Kleinigkeiten vorgenommen. Unterwegs fiel mir plötzlich ein, dass der Leibwächter des ermordeten Hausherrn noch immer im Schlafzimmer der Witwe sitzen und seine Dienerschaftsliste halten würde. Ich hatte ihm doch ausdrücklich eingeschärft, nicht wegzugehen, bevor ich nicht zu ihm zurückgekommen wäre.
Ich hielt an der nächsten Telefonzelle und rief in der Villa an. Es dauerte eine Weile, dann bekam ich Gorry an den Apparat. Ich setzte ihm die Sache auseinander, und er versprach, den Mann zu erlösen. Zufrieden hängte ich ein.
Eine Viertelstunde später parkte mein Jaguar auf dem Platz gegenüber dem Regents Klub. Es war ein Nachtlokal, wie man wenige dieser Art in New York trifft. Trotz der todvornehmen Einrichtung hält es die niedrigsten Preise unter allen Bars. Vielleicht ist dieser Umstand daran schuld, dass man bei Holdy, so heißt der Besitzer,
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