0036 - Wir spielten hinter den Kulissen
den üblichen Methoden um die Geschichte kümmert, während es mir andererseits sehr lieb ist, dass Sie von Ihrer Sicht her die Sache anpacken. Ich bin gespannt, was dabei herauskommen wird. Phil erzählte mir schon, dass Sie durch bloßes Nachdenken auf die Todesursache für den unbekannten Einbrecher gekommen sind. Mein Kompliment, Jerry! Das war schon eine schöne Leistung!«
»Ach«, wehrte ich ab, »das war ja einfach. Brandwunden ohne Feuer, da konnte ja nur elektrischer Strom die Ursache gewesen sein. Mir macht viel mehr Kopfzerbrechen, wie der Kerl in das Zimmer hineingekommen ist!«
»Vielleicht doch durch die Tür?«
»Wozu schleppt er dann die Strickleiter mit sich herum?«
»Aber Sie sagten doch selbst, Jerry, dass der Mann keine Chance hatte, unbemerkt in die erste Etage zu kommen, wenn er die regulären Wege dazu benutzte! Also stieg er mit der Strickleiter außen auf den Balkon und ging von da aus in den Flur, wo er sich mithilfe des Schlüssels Zugang zu dem Arbeitszimmer verschaffte.«
»Das ist natürlich möglich. Aber diese Erklärung befriedigt mich nicht, Chef, denn ebenso, wie er unten in der Halle oder auf der Treppe fürchten musste, gesehen zu werden, wenn er die Villa durch die Tür betreten hätte, ebenso musste er damit rechnen, dass er zufällig dabei ertappt wird, wenn er nun über den Balkon kletterte und dann mit dem Schlüssel in der Hand plötzlich vor der Tür zum Arbeitszimmer steht. Das alles ist zu raffiniert eingefädelt, als dass er ein solches Risiko in Kauf genommen hätte!«
Mr. High rieb sich nachdenklich über das Kinn.
»Stimmt«, sagte er langsam. »Wenn die Leute wirklich so raffiniert waren, haben Sie natürlich recht, Jerry. Das ist wirklich eine sehr verwickelte Geschichte.«
Wir schweigen eine Weile. Plötzlich fing Mr. High wieder an: »Vielleicht halten wir uns noch viel zu sehr an die Vorgefundenen Tatsachen und Spuren, Jerry? Vielleicht bewegen wir uns genau in der Sackgasse, in die man unsere Überlegungen führen will?«
»Wie meinen Sie das, Mr. High?«
»Na, so sehr wir auch behaupten, in diesem Fall dürfe man sich nicht um die vorhandenen Spuren kümmern, weil sie absichtlich zu unserer Verwirrung hinterlassen wurden, so sehr klammern wir uns doch gleichzeitig an sie! Wir sind nun einmal gewöhnt, die Sprache der Tatsachen zu deuten, als dass wir es plötzlich anders könnten! Wir gehen doch mit unserem Denken immer wieder davon aus, dass eine Strickleiter da ist, dass die Fenster von innen geschlossen waren, dass der Einbrecher nicht ungesehen durch die Halle kommen konnte und also die Strickleiter auch wirklich benutzen musste…«
»Moment, Chef!«, schrie ich plötzlich. »Ich hab’s! Ich hab’s! Ich muss sofort noch einmal hinaus zu der Villa! Entschuldigen Sie, Chef.«
Mich hatte ein verwegener Gedanke gepackt. Ich stürmte an Mr. High vorbei.
Als ich die Tür schloss, soviel gute Erziehung hatte ich noch, sah ich, dass er mir nachsah. Und lächelte.
***
Ich brauste also gegen sechs Uhr abends ein zweites Mal hinaus zu der Villa. Diesmal wurde ich nicht von dem seltsamen Mister Riling empfangen, sondern von einem Butler, der eine steife Miene zur Schau trug.
»Bitte sehr, Sir, womit kann ich Ihnen dienen?«
Ich musterte sein unbewegliches Gesicht.
»Ich möchte Mrs. Barris sprechen.«
»Bedaure Sir. Die Lady empfängt nicht zu dieser Stunde.«
Er sagte es so stolz, dass sich jeder gewöhnliche König hätte schämen müssen vor soviel Würde.
Ich zog meinen Dienstausweis aus der Jackentasche.
»Bringen Sie das der Lady, aber sofort!«
Er runzelte für den Bruchteil einer Sekunde die Stirn, ungefähr in dem Stil: Was hast du denn hier zu sagen? Sei froh, dass ich mich überhaupt herablasse, mit so etwas Ungehobeltem wir dir zu sprechen.
»Sehr wohl, Sir.«
Seine Miene war wieder beherrscht, als er sich umdrehte und hinausstelzte.
Ich sah mich unterdessen ein bisschen in der Halle um. Sie war genauso prächtig eingerichtet wie jedes andere Zimmer hier im Haus. Dicke Teppiche bedeckten den Fußboden. Unwahrscheinlich dicke Teppiche, bemerkte ich.
Ich stutzte plötzlich. Dann bückte ich mich schnell und klopfte mit dem Knöchel auf den Teppich. Selbst wenn ein Teppich noch so weich ist, spürt man doch, wenn man richtig drauf klopft, dass er auf einem harten Fußboden liegt. Hier spürte man gar nichts.
Ich marschierte auf dem Teppich entlang, bis ich an eine Ecke kam. Sie lag in der Nähe der großen Portiere, die Halle
Weitere Kostenlose Bücher