0038 - Die Horror-Reiter
steckte zu tief. Außerdem waren es die Mönche gewohnt, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Sie waren in den letzten Jahren noch fatalistischer geworden. Ihre früheren Ideale waren dahin. Der Einfluß des Bösen hatte sich doch sehr stark bemerkbar gemacht. Wie Gift breitete er sich in den Gehirnen der hier Lebenden aus und machte sie bereit und willig für eine endgültige Übernahme.
Das alles wußte Gulio Ortega zwar nicht genau, aber er ahnte etwas. Und nun wollte der Abt ihm etwas zeigen. Das Rätsel dieses Klosters vielleicht? Das absolut Böse und Grauenhafte? Die Mächte der Hölle, die unten im Berg lauerten?
Je länger Ortega daran dachte, um so schlimmere Bilder malte er sich in seinem Geist aus. Desto größer wurde auch die Angst.
Urplötzlich blieb er stehen. Er stemmte sich gegen die Fäuste des Abts und wich gleichzeitig nach links aus. Es gelang ihm, sich aus dem Griff zu drehen. Hastig lief er zurück.
Sie befanden sich inzwischen in einem Gang, der durch Fackeln erleuchtet wurde. Und Gulio Ortega wußte genau, wohin er zu laufen hatte. Er kannte das Geheimnis des Fluchtweges, diesen uralten Schacht, der mit einer Wendeltreppe ausgestattet war und tief in den Berg führte zu einem geheimen Ausgang.
Unendlich viele Stufen mußte man überwinden. Es gab keine Geländer, nur diese Stufen, und nicht selten hatte jemand das Gleichgewicht verloren und war in die Tiefe gestürzt.
Die Gebeine der Gestürzten bleichten dahin. Manche waren schon zu Staub verfallen.
Ortega lief. Er rannte so schnell wie noch nie zuvor in seinem Leben. Doch er war ein alter Mann, sein Körper hatte nicht mehr die Kraft, die nötig war, um die Treppe zu erreichen.
Der Abt war schneller.
Don Alvarez erwischte Ortega wenige Schritte vor der Geheimtür, die zum Schacht führte. Gulio hatte bereits seinen Arm ausgestreckt, um den Griff zu berühren, als sich die Finger in das Fleisch seiner Schulter bohrten und ihn herumrissen.
Gulio Ortega schrie auf. Er prallte mit dem Rücken gegen die Felswand und riß seine Hände schützend vor das Gesicht. Der dämonische Abt lachte. Die Faust traf Ortega dicht oberhalb der Gürtelschnalle. Der alte Mann brach zusammen.
Don Alvarez wollte noch einmal zuschlagen, doch dann sah er, daß es nicht nötig war. Ein Schlag hatte völlig gereicht, um die Kräfte des Alten zu erschüttern. Wie tot lag er auf dem Boden. »Steh auf, verdammt!« zischte der Abt. Gulio rührte sich nicht.
Don Alvarez zog ihn hoch. Er bemerkte, daß Ortega bewußtlos war, und fluchte.
Jetzt mußte er ihn schleppen. Denn viel Zeit hatte er nicht. Er konnte nicht erst warten, bis Ortega aus seiner Bewußtlosigkeit erwachte, er mußte ihn so rasch wie möglich den vier Reitern übergeben.
Ächzend lud sich der verbrecherische Abt den Bewußtlosen auf die Schulter. Arme und Beine des Alten baumelten herab. Der Abt lachte widerlich. Ortega sollte sich wundern. Dieser Schurke wollte unbedingt das Geheimnis des Klosters lüften. Vielleicht war er sogar ein Spion. Nun, er sollte das Rätsel kennenlernen.
Sicherheitshalber blickte sich Don Alvarez um, ob ihn auch niemand beobachtete. Er sah, daß die Luft rein war, und er verschwand in dem Gang, der vor der Mauer mündete. Hier betätigte er wieder den Kontakt, und die steinerne Wand gab den Eingang frei.
Das Gewicht des Alten drückte, und Don Alvarez stieß mehr als einmal einen lästerlichen Fluch aus. Die Fackel hatte er beim letztenmal neben der Falltür liegenlassen. Er hob die Tür an und entfachte die Fackel.
Sofort wurde das kleine Verlies in ein geheimnisvolles, flackerndes Licht getaucht. Der Abt hatte Angst, daß die Leiter das doppelte Gewicht nicht tragen könnte. Die zweite Sprosse brach tatsächlich. Nur mit Mühe konnte sich Don Alvarez halten. Er zischte eine Verwünschung, ging trotzdem weiter und war schließlich froh, daß die anderen Sprossen gehalten hatten.
Der Modergeruch hatte sich noch verstärkt. Auch der Schwefelgestank war nicht zurückgegangen. Im Gegenteil.
Alle Anzeichen sprachen dafür, daß das Böse noch stärker geworden war.
Schwer atmend ließ der Abt den Bewußtlosen zu Boden gleiten. Er brauchte einige Zeit, um sich zu erholen. Mit dem Kuttenärmel fuhr er über sein Gesicht. Wie Wattestreifen hing der aus dem Boden quellende Nebel über dem Gestein. Das Tor war nicht zu erkennen. Erst als Don Alvarez tiefer in den Nebel hineinschritt, sah er die Konturen. Noch immer flimmerten die Umrisse auf dem Gestein. Die
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