0038 - Die Horror-Reiter
Sie hatten die Auseinandersetzung überstanden. Der aus der offenen Tür fallende Lichtschein reichte aus, um erkennen zu lassen, daß es sich um einen älteren Mann handelte, gegen den Suko gestoßen war.
Sukos Hand fuhr dort hin, wo das Herz sitzt.
Es schlug nicht mehr.
Der Mann war tot.
Suko brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, wer dieser Tote war. Er erhielt auch sehr rasch die Bestätigung.
Juan Ortega trat aus dem Haus, ging auf Suko zu, schaute ihm über die Schulter und warf sich im nächsten Augenblick neben dem Chinesen zu Boden.
»Vater!« schluchzte er auf und barg sein Gesicht an der Brust des Toten.
Suko erhob sich. Ihm lief eine Gänsehaut über den Rücken.
Der Schmerz wühlte den jungen Ortega auf. Er weinte wie ein Kind.
Suko stand neben ihm mit einem Gesicht, das wie aus Granit gemeißelt zu sein schien. Wieder einmal erlebte er mit, wie grausam Dämonen mit Menschenleben umgingen und welche Schmerzen ein Mensch verspürte, der einen nahen Verwandten verloren hatte. Einen Mann, der sich gegen die Mächte der Finsternis gestellt hatte und seinen Preis dafür bezahlen mußte.
Es waren immer wieder diese und ähnliche Szenen, die Suko und auch mir die Entschlossenheit zum Weitermachen gaben, die unsere Einstellung festigten, gegen das Böse zu kämpfen und es auszumerzen.
Minutenlang ließ Suko Juan Ortega allein in seinem Schmerz. Dann legte er ihm die Hand auf die Schulter.
»Kommen Sie, Juan. Wir können nicht hier in der Kälte bleiben.«
Juan nickte. Dann drehte er sich halb um und blickte Suko von unten her an. »Was – was geschieht mit meinem Vater?«
»Wir bringen ihn ins Haus.«
»Und dann? Er ist getötet worden. Wir müssen die Polizei verständigen…«
Sukos Stimme wirkte beruhigend auf den jungen Ortega. »Zuerst müssen wir Ihren Vater hineinbringen.« Der Chinese bückte sich. »Ich helfe Ihnen.«
Gemeinsam hoben die beiden Männer den Toten an. Juan Ortega weinte, als er mithalf, seinen Vater ins Haus zu tragen.
Suko kickte die Tür mit dem Fuß zu. Er wollte nicht, daß eventuell Neugierige ins Haus schauten.
Sie legten den Toten auf die Couch, die sie zuvor aufrichten mußten. Das Gesicht der Leiche zeigte keinen friedlichen Ausdruck. Im Gegenteil, es war verzerrt, als hätte der Tote kurz vor dem Sterben noch alle Schrecken der Hölle durchgemacht.
Juan faltete die Hände seines Vaters vor der Brust zusammen.
»Adios«, flüsterte er. »Ich werde alles tun, um deinen Tod zu sühnen, Vater.«
Suko stand stumm daneben. Seine Gedanken beschäftigten sich bereits mit der nahen Zukunft. Sie durften jetzt keine Zeit mehr vertrödeln. Wenn sie noch etwas retten wollten, dann mußten sie hoch zum Kloster. Auch ohne große Vorbereitungen.
»Ich werde der Polizei Bescheid geben«, sagte Juan Ortega.
Suko hielt ihn zurück. »Nein, das wäre falsch.«
»Wieso?«
»Wir würden zuviel Zeit verlieren. Es gäbe Verhöre. Protokolle müßten geschrieben werden. Nein, es ist besser, wenn wir uns gleich auf den Weg machen, um Carmen und John Sinclair zu befreien.«
»Aber wir haben keine Ausrüstung«, wandte Juan Ortega ein.
»Das Nötigste bringen wir schon zusammen.« Suko packte Juan an beiden Schultern. »Reißen Sie sich zusammen. Ich weiß, daß es ein schwerer Schlag für Sie war, daß Sie Ihren Vater verloren haben. Aber Sie müssen sich damit abfinden, so hart sich dies auch anhört. Wir müssen jetzt an uns und an die anderen Lebenden denken. Und dazu gehört Carmen, Ihre Verlobte.«
Juan nickte. »Ja, Sie haben recht. Entschuldigen Sie.« Seine Gestalt straffte sich. »Sagen Sie mir, was ich alles tun soll.«
»Mit einem Wagen kommen wir da nicht hoch. Also brauchen wir Esel. Können Sie die besorgen?«
»Das ginge schon.«
»Auch schnell?«
»Ich muß es versuchen. In der Nähe wohnt ein alter Bauer. Der hat mal eine Eselszucht gehabt. Einige Tiere hat er noch. Aber was soll ich sagen, wenn er nach dem Grund fragt?«
»Gar nichts.« Suko holte zwei Geldscheine aus der Tasche.
»Wenn Sie ihm die geben, wird er sicherlich auf jegliche Fragerei verzichten.«
Juan Ortega steckte das Geld ein. »Das glaube ich auch«, sagte er. Er holte seinen Fellmantel und hängte ihn sich über.
»Haben Sie auch noch einen für mich?« erkundigte sich der Chinese.
»Ich werde mal nachsehen. Der alte Mantel von meinem Vater müßte noch hier unten sein.«
Der Franco-Spanier ging. Suko blieb mit dem Toten allein zurück. Der Chinese meditierte.
Mit
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