0038 - Die Horror-Reiter
bestückt. Über den Reiter machte ich mir kaum Gedanken. Hatten wir erst einmal das Kloster erreicht, würde sich das Geheimnis sicherlich von selbst lüften.
Und plötzlich sah ich die Mauern. Hoch und unüberwindlich schienen sie zu sein. Für eine Ewigkeit gebaut, als Trutzburg des Guten. Doch kein Kreuz stand auf den Türmen, kein christliches Symbol bedeckte die Mauern, nach denen die Mächte der Finsternis ihre Klauen ausgestreckt hatten. Schon näherten wir uns dem Innenhof. Er bestand aus einem großen Geviert, das leer und verlassen unter uns lag. Der Reiter landete.
Er hatte die Geschwindigkeit verringert. Das Pferd streckte die Beine aus, berührte das unebene Gestein und zog eine lange Funkenspur hinter sich her. Der Horror-Reiter stand.
Mir fiel ein Stein vom Herzen, obwohl meine Lage mehr als beschneiden war. Ich hing in einer Schräglage. Die Fußspitzen berührten den Boden. Meine Arme waren ausgestreckt, die Hände umklammerten nach wie vor die Zügel. Der Reiter bewegte sich leicht nach rechts. Er hob Carmen an und ließ sie zu Boden gleiten. Dann wartete er ab.
Plötzlich löste sich der magische Bann. Ich war darauf nicht vorbereitet und fiel hart auf das Gestein. Zum Glück konnte ich mein Gesicht schützen, aber der Aufprall war auch so noch hart genug.
Ich lag auf dem Innenhof des Klosters wie der große Verlierer. Wahrscheinlich war ich das auch. Nahezu naiv und blauäugig war ich in den Fall hineingestolpert, der mir bisher nur eins gebracht hatte: eine Niederlage. Ich versuchte, meine Glieder zu bewegen. Die Finger, die Zehen, die Arme… Ich schaffte es nicht einmal unter großen Schwierigkeiten.
Mein Kreislauf mußte sich förmlich auf dem Nullpunkt befinden, ich hatte kein Gefühl mehr in den Gliedern. Nur mit Mühe gelang es mir, den Kopf zu drehen und Carmen einen Blick zuzuwerfen.
Sie lag auf der Seite. Ihr Gesicht war kalkweiß. Ich kannte diese Blässe von Vampiropfern her oder von Leichen. Sekundenlang durchzuckte mich der heiße Schreck, doch dann sah ich, daß Carmen atmete.
Mit meinen Bemühungen ließ ich nicht nach. Immer wieder bewegte ich Hände und Füße, versuchte, den Kreislauf in Gang zu bringen. Denn im Moment war ich wehrlos wie ein Baby. Trotz meiner Bewaffnung. Daß man mir die Beretta nicht abgenommen hatte, konnte ich nicht als einen Vorteil ausspielen, denn ich hatte sie noch nicht wieder geladen. Noch immer stand der Reiter wie ein Denkmal neben mir. Er wartete auf irgend etwas oder auf irgend jemanden. Ich rechnete damit, daß es der Abt war. Und ich hatte mich nicht getäuscht. Eine Tür schwang auf. Sie befand sich genau in meinem Blickfeld. Rötlichgelber Fackelschein fiel nach draußen, wurde aber schon nach wenigen Yards von der Dunkelheit verschluckt. Der Abt kam!
Ich sah eine hochgewachsene Gestalt im Türrechteck, sah die lange, weite Kutte, die ihn umwehte wie eine Fahne, und spürte fast körperlich den Haß, den mir dieser Mann entgegenbrachte.
Er hatte die Kapuze über seinen Kopf gezogen und die Arme in den Ärmeln versteckt. Mit gemessenen Schritten verließ er das schützende Kloster, ging über den Innenhof und steuerte genau auf mich zu.
Bis auf das monotone Jaulen des Windes war es ruhig in dem einsamen Bergkloster. Der Abt schritt lautlos. Nicht ein Stein knirschte unter seinen Füßen. Vor Carmen blieb er stehen. Er bewegte den Kopf und schaute zu dem Reiter hoch.
»Ich danke dir, daß du beide gebracht hast«, sagte er mit tonloser Stimme. »Mein Opfer an Aeba wird um so größer sein.«
Da war es wieder, dieses verdammte Wort, das ich nicht verstand. Aber ich nahm mir vor, diesen Don Alvarez danach zu fragen.
Ganz allmählich begann mein Kreislauf wieder zu arbeiten.
Das Blut pulste durch die Adern, doch ich hätte schreien können, solche Schmerzen hatte ich zu ertragen, da durch die verdammte Kälte fast alles abgestorben war.
Ich biß die Zähne zusammen und ließ mir nichts anmerken.
Der Abt hatte noch immer genug mit dem Reiter zu tun. Sie sprachen miteinander. Dann gab der Reiter seinem Pferd die Sporen, sprengte auf die Tür zu und löste sich plötzlich von einer Sekunde zur anderen buchstäblich in Luft auf.
Carmen, der Abt und ich waren allein. Doch nicht lange.
Plötzlich kamen sie. Hintereinander traten die übrigen Mönche aus der Tür. Zuerst zählte ich noch, doch bald ließ ich es bleiben. Es waren zu viele.
Die Mönche bewegten sich, als würden sie an unsichtbaren Fäden hängen. Und mir wurde klar,
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