0038 - Die Horror-Reiter
dir, da kam der Reiter. Er ritt durch die Luft, lachte und…«
Sie schluckte und begann zu weinen. Wir warteten, bis sie sich beruhigt hatte. Dann erzählte sie stockend weiter.
»Er war nicht allein. In seinen Krallen hielt er einen Menschen. Es war – dein Vater, Juan!«
Der junge Ortega zuckte zurück. »Hast du dich auch nicht getäuscht, Carmen?«
»Nein. Ich habe ihn genau gesehen. Dein Vater ist tot.«
Juan Ortega schloß die Augen. Hart preßte er die Lippen zusammen. Seine Wangenmuskeln spielten. Die Klarheit seiner Augen verschwamm im Tränenwasser.
Er ballte die Hände, drehte sich halb um und blickte mich an.
»Wir werden es nachprüfen«, sagte ich leise. Etwas anderes fiel mir im Augenblick nicht ein.
»Sie hat sich bestimmt nicht getäuscht«, sagte Juan. »Die anderen sind grausam.«
»Wen meinen Sie damit?«
»Nun – Aeba.«
Immer wieder dieses verdammt Wort. Mittlerweile hatte es sich für mich zu einem Alptraum entwickelt. Ich wußte nicht, was dahintersteckte, aber es war ein Schlüsselwort. Vielleicht, so überlegte ich, brachte mich die Lösung des Rätsels auf die Spur irgendeines gigantischen Vorhabens, das von dämonischen Mächten gesteuert wurde. Es war oft so, daß kleine Anzeichen eine große Sache ankündigten. Ich hatte mittlerweile einen Blick dafür. Wenn Dämonen etwas planten – damit unterschieden sie sich nicht von normalen Verbrechern –, mußten sie vorbereiten, organisieren, Helfer gewinnen. Bei Gangstern lief dies meist im geheimen ab. Dämonisches Treiben fiel mehr auf, auch wenn es nur geringste Vorbereitungen waren.
Und das war eben unser Vorteil. Wenn unbeteiligte Zeugen in diese Vorbereitungen hineingezogen wurden, reagierten sie oft hysterisch, so daß die Polizei rascher davon erfuhr. Die Menschen waren halt bereit, sofort zur Polizei zu laufen und ihre ungewöhnlichen Beobachtungen zu melden. Aus diesen Kreisen hatte ich schon mehr als einmal einen entscheidenden Hinweis erhalten und konnte somit ein größeres Unheil verhindern. Auch hier in Los Albas schienen mir diese Voraussetzungen gegeben zu sein, denn Carmens Beobachtungen waren für uns sehr wertvoll.
Dem Mädchen ging es mittlerweile ein wenig besser. Ich drückte Juan Ortega zur Seite und beugte mich über Carmen. Auf französisch sprach ich sie an. »Sie brauchen keine Angst zu haben, Mademoiselle, Sie sind hier in Sicherheit. Ich heiße John Sinclair und bin ein Freund Ihres Verlobten. Wir wollen uns gemeinsam bemühen, das Rätsel zu lösen. Wollen Sie uns dabei unterstützen?«
»Ja«, lautete die schwache Antwort. Und in Carmens Augen las ich das Vertrauen, das sie mir entgegenbrachte.
»Wo haben Sie diesen Reiter gesehen?«
»Auf dem Weg hierher.«
»Von wo kam er?«
»Ich weiß nicht genau.«
»Kam er vom Kloster?«
Carmen schluckte. »Das kann sein. Ich – ich habe es nicht so genau gesehen. Alles ging so plötzlich. Ich hörte ein Brausen, dann ein Gelächter, und da sah ich den Reiter.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Er hatte eine Rüstung an. Auf der Brust flimmerte ein großes A. Eine Halbmaske hatte er vor dem Gesicht. Sein Pferd war schwarz, und aus den Nüstern schlug eine Feuerlohe. Ich – ich glaube, es war der Teufel.«
Mit dieser Annahme lag sie gar nicht mal so weit daneben.
Mit dem Teufel hatte der Reiter ganz sicher etwas zu tun. Sie alle – Dämonen und Gestalten der Schwarzen Magie – sind in letzter Instanz Diener des Teufels, Roboter des Bösen und des Grauens. Sie wollen das Chaos, die Panik und die Anarchie.
Die Erde solle in Trümmern liegen, und dann würde aus diesen Ruinen die Herrschaft des Bösen entstehen. Bis jetzt hatte es der Satan noch nicht geschafft, denn es gab immer wieder Menschen, die die Gefahr erkannten und sich gegen sie stellten.
Ich zündete mir eine Zigarette an. »Hatte dieser Reiter nun eine Botschaft für uns oder für Sie?« fragte ich Carmen interessiert.
»Nein. Er hatte nur Juans Vater vor sich über den Rücken des Pferdes gelegt und hat triumphierend gelacht.«
Nachdenklich stieß ich den Rauch aus. Was konnte dieser Reiter mit Gulio Ortega vorgehabt haben? Wahrscheinlich hatte er ihn getötet. Doch auch Dämonen töten nicht ohne Motiv oder wahllos. Sie wollen mit einem Mord immer etwas erreichen, und wenn es eine Bestrafung ist.
Ja, Bestrafung. Das mußte es sein. Gulio Ortega hatte Pater Emilio geholfen. Das hatten sie herausgefunden, und er war von den Mächten der Finsternis bestraft worden.
Ich
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