0038 - Die Horror-Reiter
Schwingen weitergetragen und hallte noch lange nach. Es hätte eine romantische Winternacht sein können, doch Suko und Juan verdrängten solche Gedanken. Vor ihnen lag eine verdammt harte Aufgabe. Sie wußten nicht, was oder wer sie in diesem Kloster erwartete.
Auch der Weg war mit Geröll bedeckt. Unter den Hufen der Tiere löste sich das lockere Gestein und rollte talabwärts. Die lauten Geräusche waren dabei leider nicht zu vermeiden. Ihr Klang war noch ziemlich weit zu hören. Der Wind hatte gedreht. Er blies jetzt aus Nordwest. Die Luft schmeckte irgendwie anders. Nach Schnee.
Noch war nichts zu sehen, noch präsentierte sich der Himmel sternklar, doch Suko wußte, daß sich das Wetter in den Bergen innerhalb einer halben Stunde völlig verändern konnte.
Suko blickte immer wieder schräg nach oben, ob er nicht die Mauern des Klosters entdeckte. Ohne Erfolg. Überhängende Felsvorsprünge nahmen ihm die Sicht. Juan Ortega hatte berichtet, daß das Kloster an der entgegengesetzten Seite nur über eine Zugbrücke zu erreichen war. Der Aufstieg dort war weniger beschwerlich, dafür war die Zugbrücke immer hochgezogen. Sie überspannte ein tiefes, enges Tal, das schon mehr eine finstere Schlucht war. Unermüdlich trotteten die beiden Esel voran. Die Tiere hatten wirklich eine große Geduld. Hin und wieder schüttelten sie die Köpfe oder schnaubten. Dann stoben helle Atemwolken vor den Nüstern auf. Auch bei Suko und Juan riß die Atemfahne nie ab.
Immer wieder bewegten sich die beiden Männer, um wenigstens die ärgste Kälte aus den steifen Gliedern zu treiben. Dann tauchte das Kloster öfter im Blickfeld der beiden Männer auf. Immer, wenn sie eine Kehre hinter sich gebracht hatten, sahen sie die gewaltigen Mauern.
»Jetzt dauert’s nur noch eine Stunde!« rief Juan Ortega Suko über die Schulter zu.
»Wie schön für uns.«
Aus der Stunde wurden fast zwei, da die letzte Strecke äußerst beschwerlich war. Schneereste waren zu harten Eisrutschbahnen gefroren. Als weiße Buckel lagen sie oft quer über dem Weg.
In Gipfelnähe schützte keine Felswand mehr die Männer. Rechts und links des schmalen Pfades führten kleinere Gletscher in die Tiefe. Die Sicht war noch gut. Aus den zahlreichen Tälern grüßten winzige Lichter, während sich Suko hier oben vorkam wie auf dem Mond. Auch vom Kloster aus mußten sie längst bemerkt worden sein, falls jemand Wache hielt. Das schien nicht der Fall zu sein. Jedenfalls deutete nichts darauf hin, daß ihre Ankunft gemeldet worden war.
Eine letzte Biegung, dann führte der Weg direkt auf das Kloster zu.
Juan Ortega winkte Suko zu sich heran. »Wir lassen die Esel am besten hier zurück«, schlug er vor, »und gehen den Rest der Strecke zu Fuß.«
Der Meinung war Suko auch. Sie nahmen all das mit, was sie benötigten, um die dicken Mauern zu überklettern. Suko, der Kräftigere, trug die Sachen. Er übernahm auch die Führung.
Auf dem Weg zu laufen war schwieriger, als er es sich vorgestellt hatte. Vor allen Dingen deshalb, weil er keine Bergsteigerschuhe an den Füßen hatte. Mit seinen glatten Sohlen rutschte er immer wieder zurück.
Der Wind beutelte die beiden einsamen Männer regelrecht durch.
Über ihnen war die kalte Sternenpracht etwas verblaßt. Man sah sie wie durch einen Watteschleier. Ein Zeichen dafür, daß sich erste Wolken gebildet hatten.
»In spätestens einer Stunde wird es schneien«, bemerkte Juan Ortega. »Dann kann man hier nicht mehr die Hand vor Augen sehen.«
»Das glaube ich.«
Man merkte dem Chinesen nicht an, wie schwer die letzten Yards waren. Sein Atem ging kaum schneller. Suko hatte eine sagenhafte Kondition.
Dann standen sie vor der Klostermauer. Hoch wuchsen die Quader vor ihnen auf.
Die Männer hatten sich ein paar Schritte vom Weg entfernt. Sie mußten sich schräg stellen, da neben ihnen direkt ein langer, von Schneefeldern unterbrochener Geröllhang begann.
Suko ließ seine Blicke über das Mauerwerk schweifen. Die Steine lagen dicht aufeinander. Nahezu fugenlos und glatt. Nicht einmal eine Bergziege wäre hier hochgekommen. Sie mußten es also mit dem Seil und der Hakensperre versuchen.
»Sieht mies aus, nicht?« flüsterte Juan Ortega. Er sprach leise, als hätte er Angst davor, daß andere mithörten.
Suko nickte. Er hatte sich das Seil über die Schulter gerollt und den viergliedrigen Haken an den Gürtel gesteckt. Der Chinese ließ das Seil von der Schulter rutschen, rollte es etwa einen Yard lang auf und wog
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