004 - Anruf aus der Hölle
den Tod gedacht, ohne daß es ihm in den Sinn gekommen wäre, sich selbst das Leben zu nehmen. Er hatte sich nur vorzustellen versucht, wie er sterben würde. Alt, einsam, ohne Aufsehen und ohne Schmerzen.
Er hatte sich vorgestellt, daß es ein sanftes Hinüberdämmern sein würde, wie wenn er in einen tiefen Schlaf sank, aus dem er nicht mehr erwachte.
Er hatte nicht daran gedacht, daß der Tod ihm persönlich begegnen würde.
Und er hatte vor allem nicht damit gerechnet, daß ihm der Sensenmann so bald schon gegenübertreten würde.
»Ich weigere mich, mit dir zu gehen!« schrie er. »Hörst du? Ich weigere mich!«
»Mach keine Umstände, deine Zeit ist um.«
»Wer sagt das?«
»Die Uhr zeigt es an.«
»Das glaube ich nicht. Da ist Betrug im Spiel. Ich lasse mich nicht um die Jahre prellen, die ich noch vor mir habe.«
»Deine Vermutung stimmt«, sagte Gevatter Tod. »Deine Uhr wäre wirklich noch nicht abgelaufen. Du hast mein Erscheinen deinem Neffen Marion da Costa zu verdanken. Er hat die Uhr vorgestellt, weil er nicht länger auf dein Geld warten will.«
Koenig riß die Augen auf. »Das hat dieser Bastard getan? wie war ihm das möglich?«
»Schwarze Magie hat ihn unterstützt.«
»Kann man die Zeiger nicht mehr zurückdrehen – auf den richtigen Stand?«
»Unmöglich«, sagte Gevatter Tod, und damit war genug gesprochen. Nun wollte sich der Sensenmann Koenigs Leben holen. Er hielt auf einmal eine Sense in seinen Knochenhänden. Hell blinkte das Metall. Der Schnitter ging auf den Millionär zu.
Huck R. Koenig packte einen Stuhl und riß ihn hoch. Er stürmte damit dem Knochenmann entgegen. Das bleiche Skelett blieb stehen. Es rührte sich nicht von der Stelle.
Koenig schlug mit aller Kraft zu. Er traf den Schädel des Knochenmanns. Der Schnitter ließ die Sense mit einer Hand los, packte den Stuhl und entriß ihn dem Todgeweihten mit einem kraftvollen Ruck. Er warf den Stuhl achtlos hinter sich.
Der Millionär sank auf die Knie. Flehend hob er die Hände.
Seine Augen füllten sich mit Tränen.
»Bitte…«, flüsterte er. »Bitte laß mir noch mein Leben …«
Doch der Knochenmann hatte kein Mitleid. Er holte mit seiner Sense zum tödlichen Streich aus. Die Schneide fegte waagrecht durch die Luft und traf. Seufzend fiel Huck K. Koenig zur Seite.
Marion da Costas erster Wunsch war in Erfüllung gegangen.
***
»Huck!« Rosalind betrat das Schlafzimmer. Ein weißes Badetuch umhüllte ihre makellose Figur. Mit nackten Füßen lief sie über den langfaserigen Teppich. »Huck?«
Er gab keine Antwort. Die Bettdecke bauschte sich. Rosalind dachte, Huck habe sich darunter versteckt. Vorsichtig schlich sie sich an. Dann griff sie nach einem Deckenzipfel und riß ihn zur Seite, doch Huck lag nicht darunter. Enttäuscht ließ sie die Decke fallen.
»Huck!« rief sie. Diesmal lauter.
Vielleicht hatte er sich ins Arbeitszimmer begeben, um sich einen Drink zu holen. Rosalind verließ das Schlafzimmer.
Plötzlich vernahm sie ein dumpfes Poltern. Wie wenn jemand umgefallen wäre. Huck! Er arbeitete stets zuviel. Auch ohne sie. Oft bis in die Nacht hinein. Forderte dieser Raubbau an der Gesundheit nun Tribut? War Huck R. Koenig zusammengebrochen? Rosalind machte sich sofort Vorwürfe. Sie hätte ihn davon abhalten müssen, so viel zu arbeiten. Er hätte bestimmt auf sie gehört, wenn sie ihm ins Gewissen geredet hätte.
War es dazu zu spät?
»Huck!«
Rosalind stürmte los. Sie erreichte die Arbeitszimmertür, stieß sie auf, und was sie dann zu sehen bekam, raubte ihr fast den Verstand.
Huck R. Koenig lag auf dem Boden. Reglos. Offenbar tot. Und ganz in seiner Nähe – Rosalind Conn konnte es kaum fassen, aber es war schreckliche Realität – stand ein bleich schimmerndes Skelett, mit einer Sense in den Händen.
Der Sensenmann.
Gevatter Tod!
Er hatte sich Huck geholt.
»Neiiin!« kreischte Rosalind in wahnsinnigem Schmerz auf. Endlich hatten sie zueinander gefunden. Endlich hatten sie sich zu einem gemeinsamen Leben entschlossen, und nun war das passiert.
Der Tod hatte sie brutal auseinandergerissen.
Rosalind starrte das allmählich erblassende Skelett an. »Warum?«
schluchzte sie verzweifelt. »Warum?« Sie sah den Sensenmann durch einen dichten Tränenschleier. Das Gerippe wurde durchsichtig, die Konturen zerflossen, und Sekunden später gab es die grauenerregende Erscheinung nicht mehr.
Zurück blieb ein Toter, um den Rosalind Conn schreiend weinte.
***
Ich schaltete das Autoradio
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