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004 - Geister im Moor

004 - Geister im Moor

Titel: 004 - Geister im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.R. Bruss
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sehen.
    »Oh, ich mache jetzt öfter einen Ausflug nach New Guilclan«, erklärte ich dem Doktor, »und dann bleibe ich zum Abendessen dort. Ein Taxi bringt mich bis zum Fischerdorf zurück, von dort ist es nicht mehr so weit.«
    Arnold schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. »Ich verstehe. Sie haben am Strand irgendeine hübsche Badenixe kennen gelernt, wie? Ich habe Ihnen ja gesagt, in Guilclan werden Sie sich noch zu Tode langweilen. Sie sind doch noch jung … Was macht der Roman?«
    »Dem geht es gut, Doktor.« Ich log schon wieder, denn nach etwa zehn Seiten hatte ich ihn nicht wieder angerührt. Außerdem benutzte ich die Nachmittage jetzt häufig zum Schlafen, da die Nachtarbeit mit Gilcross in den Ruinen recht erschöpfend war.
    Nach New Guilclan war ich nicht zurückgekehrt, obgleich ich zu meiner großen Schande gestehen muss, dass ich mehrmals versucht gewesen war. Das Bild von Mary Ramdul mit ihrem goldbraunen Körper tauchte immer wieder vor meinem inneren Auge auf und machte mir zu schaffen. Ich musste jedes Mal mit aller Kraft an Betty denken und mich an meine innige Liebe zu ihr klammern, um der Versuchung nicht nachzugeben.
    Auf einem meiner selten gewordenen Spaziergänge lernte ich übrigens den verrückten Dichter kennen, Herold Gruen. Er saß auf einer Bank vor seinem Haus und winkte mir, in seinen Blumengarten zu kommen.
    Er war ein hübscher Mann, etwa dreißig Jahre alt, groß, kräftig und hellblond. Ich stellte mich vor und sagte ihm, wie sehr ich seine Werke bewunderte. Er ging nicht darauf ein, zeigte mir den Gedichtband von Edgar Allan Poe, den er in der Hand hielt, und begann mir daraus vorzulesen. »Ist das nicht wunderbar?« fragte er und kommentierte den Text so brillant, das ich nicht an einen verwirrten Geist glauben konnte. Er wirkte zwar ein bisschen seltsam, aber keineswegs verrückt. Doch ganz plötzlich wurden seine blauen Augen starr, und er begann unaufhörlich vor sich hinzumurmeln: »Die Ruinen von Ludmar … die Ruinen von Ludmar … die Ruinen von Ludmar …« In diesem Augenblick trat eine große magere Frau aus dem Haus, die in den Sechzigern sein musste und ein unendlich trauriges Gesicht hatte. Sie beugte sich besorgt über den jungen Dichter. Ich war aufgestanden und versicherte ihr, als sie mich vorwurfsvoll anblickte, das er mich eingeladen und ich durchaus nichts gesagt oder getan hatte, um ihn in diesen Zustand zu versetzen.
    Sie schüttelte den Kopf und sagte leise: »Der arme Junge.«
    »Schreibt er eigentlich noch?«
    »Nein. Er liest oft, aber er schreibt nicht mehr.«
    »Was sagen denn die Ärzte?«
    »Er hat schon viele aufgesucht, die besten Spezialisten. Sie wissen nicht, was sie davon halten sollen. Sie können sich die Ursache nicht erklären.«
    »Und was sagen Sie dazu? Sie sind doch ständig bei ihm. Wissen Sie denn nicht, was ihn dazu gebracht hat … ich meine, was diese Geistesverwirrung ausgelöst hat?«
    Sie sah mich etwas erschrocken an und zögerte. »Er war zu oft dort oben bei den Ruinen«, sagte sie schließlich. »Er ist den verborgenen Dingen zu nahe gekommen. Aber wenn ich das den Ärzten sage, lächeln sie nur über mich.«
    Ich lächelte nicht, denn ich hatte mich schon manches Mal gefragt, ob der plötzliche Wahnsinn von Herold Gruen nicht in irgendeiner Verbindung mit den Ereignissen in Guilclan stand. Jetzt war ich dessen fast sicher.
    Einige Tage später lag ich am Nachmittag auf meinem Bett und döste vor mich hin, als etwas Seltsames geschah. Ein merkwürdiger Juckreiz weckte mich auf. Und dann kam es mir auf einmal so vor, als würden Tausende von spitzen Nadeln in meine Haut dringen. Mein Kopf war schwer, und ich war unfähig, logisch zu denken. Als dieses Gefühl, von unzähligen Nadeln gestochen zu werden, unerträglich wurde, versuchte ich aufzustehen. Ich konnte es nicht. Was war das? Soweit ich wusste, war ich nicht nur kerngesund, sondern sogar in bester Form. Ein derartiger Anfall war mir völlig rätselhaft, und ich hatte große Angst. Nach etwa zwanzig Minuten hörte es plötzlich auf. Ich erhob mich und suchte Dr. Arnold auf, der – ein glücklicher Zufall – in seinem Zimmer war. Er untersuchte mich sorgfältig und lächelte dann.
    »Ihnen fehlt absolut nichts. Sie sind kräftig wie ein Ochse. Alles in bester Ordnung. Aber woher, zum Teufel, haben Sie solche schwieligen Hände?«
    »Oh, ich rudere öfters«, erwiderte ich rasch. Natürlich, meine nächtlichen Arbeiten hinterließen ihre Spuren.
    Er

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