0041 - Das Amulett des Sonnengottes
Passanten untergetaucht. Es war wohl nicht Suko, sonst wäre er zu mir gekommen und hätte mich begrüßt.
Kein Herz mehr! Kopfschüttelnd stieg ich in den Bentley. Wer oder was hatte den Bankdirektor auf so makabre Weise getötet?
Und warum?
Ich fuhr nicht gleich an, sondern blickte durch die Windschutzscheibe, ohne wirklich etwas zu sehen. Ich erinnerte mich an die Vision nach dem Anfassen der rätselhaften Scheibe. Eine aztekische Pyramide, ein Mann auf dem Opfertisch – das Herzopfer für den Sonnengott. Es mußte eine Pyramide gewesen sein. Nachträglich war ich sicher.
Natürlich, hinterher hatte die Leiche kein Herz mehr gehabt. Aber war es nicht sehr weit hergeholt, eine Verbindung zwischen meiner Vision und Callanians Tod herzustellen?
In meinem Kopf gab es ein Alarmsignal, das mich aus meinen Überlegungen riß. Jetzt nahm ich meine Umgebung wieder bewußt wahr.
Tatsächlich, dort drüben in dem Hausflur stand Suko! Es gab viele Chinesen in London, aber ich erkannte doch meinen alten Freund wieder!
Mit einem Satz war ich aus dem Wagen und wollte die Straße überqueren. Wegen des starken Verkehrs mußte ich einige Sekunden warten, aber ich winkte, damit er mich auch sah.
Suko blickte direkt in meine Richtung. Als ich endlich zwischen zwei Bussen hindurchlief, zog er sich tiefer in den Hausflur zurück.
Was hatte nun das wieder zu bedeuten? Ich stürmte weiter, erreichte den Eingang und blieb verblüfft stehen. Keine Spur von Suko.
Vielleicht hatte mein chinesischer Freund etwas Verdächtiges bemerkt und wollte deshalb heimlich mit mir sprechen. Langsam betrat ich den dunklen Flur. Ich durchsuchte jeden Winkel, doch von Suko war nichts mehr zu sehen.
Hinter mir ertönte ein schrilles Kreischen, eine Tür schlug zu. Ich wirbelte herum, meine Hand flog an den Griff meiner Beretta. Es waren aber nur zwei Katzen, die sich im Keller gestritten hatten und nun fauchend und zischend durch den Korridor sprangen.
Es hatte keinen Sinn, weiter nach meinem Freund zu suchen. Wir befanden uns in einem alten Viertel von London. Ein Haus ging in das andere über, die Hinterhöfe waren verschachtelt und hingen zusammen. Zum Teil konnte man sogar durch die Keller meilenweit laufen, ohne einmal an die Oberfläche zu kommen.
Wenn ich ihn das nächste Mal sah, mußte ich Suko fragen, was er hier getan und warum er sich vor mir versteckt hatte.
***
Ernest Hemming hatte mit George Callanian nur eines gemeinsam, nämlich den Beruf. Auch er war Leiter einer Bank, wenn auch nicht deren Besitzer. Damit hörten aber die Gemeinsamkeiten auch schon auf.
Hemming war fünfzehn Jahre jünger als der Ermordete, vital, sportlich, und es fiel ihm auch gar nicht ein, an einem Sonntag zu arbeiten. Wie die meisten Menschen nutzte er diesen Tag zur Entspannung.
Er kam an diesem Nachmittag gerade von einem Tennismatch. Für den Abend hatte er sich mit seiner Partnerin verabredet. Sie wollten in ein Restaurant gehen und anschließend… So weit plante Ernest Hemming noch nicht voraus.
Er bewohnte das Haus in Chelsea allein. Nur ein Butler versorgte den Haushalt. Er hatte schon für Ernest Hemming Badewasser eingelassen.
»Ich dachte, Sie werden nach dem Tennis baden wollen, Mr. Hemming«, sagte er. »Kann ich jetzt gehen? Ich möchte ins Kino.«
»Unterhalten Sie sich gut«, erwiderte der Bankdirektor und zog sich ins Bad zurück.
Entspannt dachte Hemming über das Spiel nach, während er sich ins heiße Wasser gleiten ließ. Sie hatten ihn wieder mit seinem Namen aufgezogen, der alle an Hemingway erinnerte. Er hatte haushoch gesiegt, und er wußte auch schon, in welches Restaurant…
Weiter kam Ernest Hemming nicht. Mitten im Bad hing plötzlich eine leuchtende Scheibe, von der grelle Lichtblitze ausgingen. Wie Geisterfinger griffen die farbigen Strahlen nach dem wehrlosen Mann, hüllten ihn ein. Gleißendes, rotes Licht umschloß seinen Kopf.
Ernest Hemming verfügte als Topmanager über einen harten Willen. In diesem Punkt unterschied er sich nicht von George Callanian. Im Gegensatz zu dem Ermordeten hatte er jedoch in dem Moment des magischen Angriffs vollständig abgeschaltet. Er war so entspannt, daß er nicht sofort seine geistigen Abwehrkräfte mobilisierte.
Es ging um Sekunden, und genau diese Sekunden verlor Hemming im Kampf gegen das Böse. Bevor er sich gegen den gewaltigen Einfluß wehrte, war er ihm schon erlegen.
Hölzern richtete er sich auf, den Blick auf die funkelnde Scheibe gerichtet, stieg aus der Wanne
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