0041 - Unser falscher Taxi-Chauffeur
alles notieren, was ihnen Aufschlüsse über die Person der Toten zu bieten scheint. Mit wem pflegte sie Briefwechsel, wie heißen ihre Verwandten, wo leben sie, hat sie irgendwo Kinder, was ist mit dem Mann der alten Dame? Und so weiter und so fort.«
»Auch das ist nur Routinearbeit«, sagte der Einsatzleiter.
Phil starrte mich an.
»Aber Jerry!« rief er. »Was hat denn die Ermordung der alten Frau mit dem Erpresser zu tun?«
Ich grinste.
»Sehr viel, mein Lieber. Die alte Frau wußte nämlich, wer der Erpresser war. Das hatte sie mir in dem Brief geschrieben, der mir mit Gewalt abgenommen wurde, bevor ich auch nur den Absender lesen konnte.«
Diese Nachricht schlug bei den anderen wie eine kleine Bombe ein. Phil schluckte ein paarmal, aber er schüttelte immer wieder den Kopf.
»Wieso denn nur?« fragte er. »Es existiert doch nicht der geringste Beweis dafür, daß deine Behauptung zutrifft!«
»Beweis vielleicht nicht«, gab ich zu. »Aber ausreichend genug Zusammenhänge gibt es, die meine Behauptung als geradezu auf der Hand liegend wahrscheinlich machen. Es wird sich vielleicht auch noch ein Beweis für die Richtigkeit meiner Behauptung finden lassen. Warten wir das ab.«
Und noch während ich dies sagte, begann ich die Trommel meines Dienstrevolvers nachzusehen. Dabei wunderte ich mich, daß Phil nicht aufgefallen war, was mir schon den ganzen Vormittag über nicht aus dem Kopf wollte: Let Carson hatte seine Rente nicht abgeholt.
***
Phil wollte sich darum kümmern, daß alles meinen Vorschlägen entsprechend organisiert würde. Er blieb aus diesem Grund im Hauptquartier zurück, als ich mich in meinen Jaguar setzte und noch einmal in die Gegend fuhr, wo Mrs. Custody ermordet worden war.
Ich gab mich als ein Reporter von der Associated Press aus und schob dem Pförtner im Erdgeschoß einen kleinen Geldschein über die Theke seiner Pförtnerloge.
»Na, Mister«, brummte er, »was wollen Sie denn wissen?«
»Alles, was Sie von der alten Dame wissen, die man ermordet hat.«
»Von Mrs. Custody? Na, da weiß ich allerhand. Notieren Sie sich, was Sie brauchen können. Mrs. Custody wohnte seit fast zwanzig Jahren bei uns. Ihr Mann war Generalvertreter in den nördlichen Oststaaten für eine große Waschmittelfabrik. Er war dauernd unterwegs und meistens nur am Wochenende zu Hause. Manchmal klappte nicht einmal das, und er mußte ein paar Wochen lang wegbleiben. Sie wohnten noch kein halbes Jahr im Haus, da geschah das Unglück.«
»Was für ein Unglück?«
»Na, ihr Mann hatte einen Autounfall, bei dem er angeblich einen totgefahren haben soll. Ob es stimmt, weiß ich nicht, aber ich weiß, daß er nach ein paar Tagen Selbstmord beging. Die Leute sagten, aus Verzweiflung darüber, daß er am Tod eines Menschen schuld war. Kann ja stimmen, denn Custody war ein Mann, der keiner Fliege was zuleide tun konnte.«
»Mrs. Custody hat nie wieder geheiratet?«
»Nie. Das wußten wir von vornherein, daß sie es nicht tun würde. Sie war eine der Frauen, wie sie heute selten geworden sind. Außerordentlich gerade in ihren Grundsätzen. Sie wäre bis zum Nordpol gelaufen, um jemand ein verlorenes Taschentuch zurückzubringen. Wenn eine solche Frau einmal ihr Ja zum Zusammenleben mit einem Mann gegeben hat, dann gibt es kein zweites. Dabei hätte sie einen Mann so gut brauchen können. Ihr einziges Kind, ein prächtiger Junge übrigens, war damals erst vier oder fünf Jahre alt, als der Vater starb. Und es stellte sich dann zu allem Pech noch heraus, daß die Lebensversicherung nicht ausgezahlt werden konnte, weil Custody Selbstmord verübt hatte. Es bestand da irgendeine Klausel, die die Auszahlung vön Versicherungsprämien verbot, wenn der Versicherungsträger durch Selbstmord aus dem Leben schied. Jetzt saß die gute Mrs. Custody ohne einen Pfennig da.«
»Wie hat sie sich und das Kind denn durchgebracht?«
»Mister, nehmen Sie den Hut ab! Sie ging fünfzehn Jahre lang nachts arbeiten, als Packfrau an der Rotationsmaschine. Tagsüber wollte sie zu Hause bei ihrem Jungen bleiben. Tja, das war eine Frau…«
»Wo ist der Junge heute? Er muß doch inzwischen herangewachsen sein auf ungefähr fünfundzwanzig Lenze?«
Der Portier lachte bitter.
»Ich glaube, die Custodys werden vom Pech verfolgt, Mister. Der Junge hatte eine Leidenschaft fürs Militär. Er besuchte eine Oberschule und studierte sogar ein paar Semester. Dann meldete er sich freiwillig für vierundzwanzig Jahre zur Army. Nach einem Jahr
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