0041 - Unser falscher Taxi-Chauffeur
Dinge, die erzeugen in mir ungefähr die gleiche Stimmung wie bei einem Stier, wenn man ihm das rote Tuch vor die Nase hält.
»Ist es…?« fragte Phil.
Ich nickte.
»Ja, es ist Let Carson.«
***
Nun, aus unserem Nachhausegehen wurde natürlich nichts. Ich blieb am Tatort zurück, während Phil die nächste Kneipe oder Fernsprechzelle suchte, um die Mordkommission alarmieren zu können. Er hatte die Mordkommission des FBI alarmieren wollen, aber ich sagte ihm, die Kollegen von der Stadtpolizei täten es auch.
Bei uns ist es nämlich so, daß die Bundeskriminalpolizei, also das FBI, nur für ganz wenige Straftaten zuständig ist. Alles andere wird in New York von der Stadtpolizei erledigt. Manchmal führt das zu Kompetenzstreitigkeiten. Ich bin nicht für solche Auseinandersetzungen, deshalb ließ ich von Anfang an die Kollegen von der Stadtpolizei rufen. Sie würden die Untersuchung eines Mordes ebensogut machen wie das FBI. Ich hatte allerdings auch noch einen anderen Grund dafür, daß ich Phil die City Police anrufen ließ, aber das tut im Augenblick noch nichts zur Sache.
Während Phil unterwegs zum nächsten Telefon war, besah ich mir noch einmal mit Hilfe meiner Taschenlampe den Toten, mit der nötigen Vorsicht natürlich, um keine Spuren zu zertrampeln.
Dabei fand ich eine Münze. Ihre Prägung war nicht zu erkennen, denn sie war mit einer dünnen Schicht getrockneten Blutes überzogen.
Ich wickelte sie in mein Taschentuch. Dann ging ich ein paar Schritte den Gang zurück, lehnte mich an den Kistenstapel und steckte mir eine Zigarette an.
Da war also ein Erpresser, der es auf die Kriegsbeschädigten abgesehen hatte. Warum? Hatte er eine Art Geistesverwirrung, einen Spleen? Die Kriminalgeschichte kennt viele Fälle, in denen ein Mörder aus krankhafter Einbildung oder abnormer Veranlagung immer nur Menschen aus ein und demselben Berufskreis tötete. Lag etwas Ähnliches in diesem Fall vor?
Es war sinnlos, darüber Spekulationen anzustellen. Im Grunde genommen tappten wir noch immer völlig im dunkeln. Ich hatte zwar schon eine Menge auffällige Dinge in dieser Sache entdeckt, aber sie fügten sich nicht zusammen. Trotzdem dachte ich sie immer und immer wieder durch, bis die Mordkommission eintraf und mich aus meinen Gedanken riß.
Fairway kam als erster in den Gang gestürmt, in dem ich stand. Er hatte eine große Taschenlampe in der Hand und erkannte mich sofort.
»Mann, Cotton«, rief er erschrocken. »Wie sehen Sie denn aus? Sind Sie aus dem sechsten Stockwerk auf die Straße gefallen?«
»Viel schlimmer«, sagte ich und schüttelte ihm die Hand. »Mich haben zwei Mann in die Mangel genommen. Ich wundere mich nur, welche medizinischen Fachleute es waren, daß sie fünf Minuten vor meinem Ende aufhörten.«
»Tolle Sauerei«, sagte Fairway mitfühlend. »Aber wo liegt denn der Tote?«
Ich zeigte ihm den Fundort. Er stieß einen leichten Pfiff aus.
»Teufel! Teufel!« murmelte er. »Das ist aber schon verdammt lange her.«
Wenn man etwas davon verstand, konnte man diese Folgerung schon nach dem ersten Blick ziehen.
»Viel wird der Arzt nicht mehr feststellen können«, nickte ich.
»Dann werde ich erst den Spurensicherungsdienst arbeiten lassen«, meinte Fairway und rief seine Spezialisten heran.
Wir verließen inzwischen die Gänge zwischen den Kisten und hockten uns im Hinterhof auf eine Bank, die als Gerümpel herumstand.
»Kannten Sie den Toten?« fragte ich. Fairway schüttelte den Kopf.
»Nie gesehen. Scheint irgendwann mal einen Unfall gehabt zu haben, nicht? Er trägt ja eine Prothese.«
»Kriegsversehrter«, klärte ich ihn auf. »Korea.«
»Ah, so ist das. Eigenartig. Wer hat denn ein Interesse daran, so einen armen Teufel umzulegen?«
Ich zuckte die Achseln. Die Erpressersache war meine Angelegenheit, und ich war darin noch lange nicht so weit, daß ich darüber hätte sprechen können.
»Kannten Sie den Mann?« wollte Fairway wissen.
»Oberflächlich. Er heißt Let Carson, das ist fast alles, was ich von ihm weiß.«
»Könnte er aus begüterten Kreisen kommen? Also viel Geld haben, so daß man einen Raubmord annehmen könnte?«
»Das glaube ich kaum. Soviel ich weiß, lebt Carson von seiner Versehrtenrente, die ihm der Staat zahlte. Üppig wird das nicht gewesen sein.«
»Kaum anzunehmen«, stimmte Fairway zu. »Daß der Staat nicht üppig bezahlt, sieht man ja an den Beamtengehältern, die wir bekommen. Und wir sollen dafür auch noch jeden Tag bereit sein, unsere
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