0042 - Gift, Juwelen und wir
getroffenes Tier. Er prallte mit dem Rücken gegen den Tisch, drehte sich, rannte zur Küchentür, riß sie auf, stolperte in den Korridor, schlug mit der geballten Faust auf den Lichtschalter. Die Beleuchtung flammte auf.
Er taumelte vor den großen Garderobenspiegel und brachte sein Gesicht eng vor das Glas. Er wollte nicht glauben, was er sah, aber seine weit aufgerissenen Augen entdeckten deutlich die kleine Schramme an der Stirn und die zwei Blutstropfen von einem Stich an der linken Wange, nahe am Mund.
Dann sah er, daß ein Stückchen leichten Holzes mit der Spitze der eingetriebenen Nadel eine Daumenbreite über dem Kragen noch in der Haut seines Halses stak.
Mit einem neuen Aufschrei des Entsetzens riß er das Ding herunter und zertrat es.
»Allyson«, keuchte er, »Allyson, du… Teufel!«
Wilde Rachsucht erfüllte ihn. »Ich… nehme… dich mit«, schäumte er hervor.
Er rannte in die Küche, stieß zwei Stühle um, raffte die Pistole von der Erde, stürmte zurück., riß die Wohnungstür auf und hetzte in riesigen Sprüngen die Treppe hinunter.
Schwer ließ er sich hinter das Steuer des Lincoln fallen, fand mit der Sicherheit der Gewohnheit das Loch für den Zündschlüssel, drehte ihn, startete und raste davon.
Ledge-Avenue 54 hieß sein Ziel. Er hatte keine Vorstellung davon, wie er in das Haus eindringen wollte, keinen Plan. Nur der Wille zur Gewalt füllte ihn an, zum Schlagen, Schießen, zur Rache.
Er fuhr mit rasender Geschwindigkeit, riß den Lincoln um Kurven und jagte ihn über Kreuzungen. Ein Streifencop pfiff gellend hinter ihm her und eilte dann zum nächsten Alarmtelefon, um die Streifenwagen hinter dem offensichtlich Betrunkenen herzuhetzen.
Zwei Straßenzüge trennten Wels noch von der Ledge-Avenue. Ein plötzlicher Schauer von Kälte fuhr durch seinen Körper. Seine Knie begannen zu zucken.
Noch eine'Kreuzung, noch eine Kurve, dann riß Wels mit einer krampfhaften Bewegung des Steuers den Lincoln in die Ledge-Avenue hinein. Er verlor für zwei Augenblicke die Herrschaft über das Steuer. Der Wagen schleuderte quer über die ganze Fahrbahn, raste ein Stück die falsche Seite entlang.
Wels hob mit einer unsäglichen Anstrengung den rechten Fuß, setzte ihn auf die Bremse und drückte den Hebel nieder, ohne daß er etwas fühlte.
Das Auto hielt in wilden, bockenden Sätzen, gebremst und gleichzeitig vom Motor angetrieben. Dann erstarb der Motor.
Grifford Wels saß hinter dem Steuer. Für Sekunden wußte sein Gehirn nicht mehr, was ihn hierher getrieben hatte. Dann hatte er einen Augenblick der Klarheit, und noch einmal wallte die Wut in ihm hoch Er stieß die Tür auf. Seine rechte Hand umkrampfte den Griff der Pistole. Er stand auf der Straße.
Drüben, schräg gegenüber lag dunkel hinter der halbhohen Mauer das Haus, das er suchte, aber seinem schwimmenden Blick schien die Fahrbahn breit wie ein Ozean, der ihn von seinem Ziel trennte.
Mit schweren, stampfenden Schritten begann Wels diesen endlosen Weg. Er erreichte das andere Trottoir, wie man ein fernes Ufer erreicht.
Zehn Schritte trennten ihn noch von dem Tor. Er schaffte davon nur zwei.
Acht Schritte vor dem Eingang zu Nr. 54 brach Grifford Wels' schwerer Körper auf das Pflaster nieder.
***
Es war später als zwei Uhr nachts, als ich vom Flughafen in meine Wohnung zurückkam, und ich hatte keine Lust, gleich ins Bett zu gehen.
Ich nahm ein Buch, das ich schon ein paarmal angefangen hatte, machte es mir in einem Sessel gemütlich und las ein paar Seiten, aber dann geriet ich auf andere Gedanken.
Bender, Allyson, das Päckchen mit Zeitungspapier, Torstsen und seine Indianerschau, Curare, das waren die Dinge, um die meine Gedanken kreisten. Was besaßen wir bis jetzt? Ein wenig Verdacht gegen Allyson, ohne Beweise. Ein Interesse, das noch nicht einmal zum Verdacht langte, für Torstsen. — Das Zeug, was sein Medizinmann irf der Schau zusammenbraute, war so harmlos wie Limonadensaft. Professor Soborn hatte uns das Ergebnis seiner Analyse mitgeteilt. Nicht die Spur eines Giftes.
Das Telefon läutete. Ich hob ab.
»Cotton!«
»Zentrale. — In der 43. Straße sind zwei tote Männer ohne Verletzungen aufgefunden worden. Leitstelle glaubt an eine Ähnlichkeit mit Bender-Fall.«
Alarmiert fuhr ich aus meinem Sessel hoch.
»Geben Sie sofort Alarm. — Nichts darf berührt werden. Äußerste Vorsicht. Rufen Sie Professor William Soborn an. Auch Doktor Lyboom. Sie möchten sofort zur 43. kommen.«
Ich fuhr in die
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