0043 - Der Vampir von Manhattan
eingemietet. Doch bevor ich besonders diesen beiden auf den Stockzahn fühlte, wollte ich mich bei Lefkowicz stärken.«
»Mit einer Dose Bi… hmm, Coca-Cola.«
»Sie sagen es, Captain. Ich schaute also über die Straße. Die Passanten eilten auf dem Bürgersteig gegenüber. Das Gebäude war nicht zu übersehen.«
»Das haben Wolkenkratzer so an sich.«
»Von einer Sekunde zur andern begannen die Konturen des Gebäudes zu flimmern. Sie wurden unscharf, wie bei einer Filmvorführung, wenn der Projektor nicht richtig eingestellt ist. Die Umrisse verschwammen, dann war da nichts mehr. Jedenfalls nichts deutlich Erkennbares. Dahinterstehende Gebäude konnte man aber auch nicht sehen. Wenn ich genau hinschaute, sah ich nur ein milchiges, trübes Grau.«
»Sie hatten also Mattscheibe, Sergeant McCandle«, brummte der Captain so feindlich wie ein Bär, den jemand im Winterschlaf gestört hatte. »Was unternahmen Sie dann?«
»Ich wischte mir dreimal über die Augen und kniff in meinen Arm. Dann schluckte ich den Hamburger runter und trank meine Cola aus. Außer mir waren noch einige Passanten aufmerksam geworden. Auch ein Wagen stoppte abrupt, es gab einen leichten Auffahrunfall. Da nahm ich meinen Knüppel und marschierte quer über die Straße.«
»Weiter!«
»Mir wurde immer mulmiger, je mehr ich mich dem verschwundenen Wolkenkratzer näherte. Der Bürgersteig war wie leergefegt. Mir war es, als ob ich gegen einen unsichtbaren Widerstand anzukämpfen hätte. So als ob ich durch brusthohes Wasser waten müßte. Und dann prallte ich gegen diese unsichtbare Barriere. Sie gab etwas nach, war aber dennoch so hart wie Stahl. Ich tastete mich an der Barriere entlang, doch sie zu durchdringen war unmöglich.«
»Womit prallten Sie denn gegen die Barriere, Sergeant?«
McCandle klopfte auf seinen vorragenden Bauch.
»Damit, Sir.«
»Aha! Nur eine Frage, Sergeant McCandle. Wie viele Dosen von Ihrem sogenannten Coca-Cola hatten Sie denn getrunken, als Ihnen das passierte?« wollte der Captain wissen.
»Sir, ich weiß, worauf Sie anspielen. Also gut, ich habe diesen Hamburger mit einer Dose Bier hinuntergespült. Das mag nicht ganz korrekt sein, aber eine Dose Bier wirft einen Mann wie mich nicht gleich um. Oder wollen Sie mir etwa unterstellen, daß ich ein Trinker wäre, Captain?«
»Das nicht gerade, Sergeant McCandle. Aber ich will es mal so sagen. Wenn ich ein Karton mit Bierdosen wäre, möchte ich nicht mit Ihnen allein im Zimmer sein. – Sie waren also nüchtern und nehmen auf Ihren Diensteid, was sie da gerade ausgesagt haben?«
»Jederzeit, Captain Hamilton. Ich verständigte gleich über Funk das Revier. Patrolman Wright brachte mich im Streifenwagen her. Drei Streifenwagenbesatzungen sind zur Zeit bei dem fraglichen Gebäude.«
»Lassen Sie mal die Einsatzzentrale über Funk nachhören, was sich da abspielt, Lieutenant Hardy«, ordnete der Captain an.
Hardy, der wie die anderen Polizeiuniform trug, eilte hinaus. Captain Hamilton spielte mit dem Brieföffner auf seinem Schreibtisch, der in seinen Wurstfingern spielzeughaft wirkte. Er krauste die Stirn.
Er mußte an John Sinclair denken, an den alten Montague und seine Gefährtin Asenath. Der Captain hatte die sichere Vermutung, daß das Verschwinden des Wolkenkratzers direkt mit dem Vampirfall zusammenhing. Das würde eine Menge Aufregung und Ärger verursachen, das wußte er jetzt schon.
Der Lieutenant kehrte zurück.
»Im Umkreis der Kreuzung Dritte Avenue – 24. Straße ist der Teufel los, Captain. Der Verkehr steht still, ein Menschenauflauf drängt sich. Die Autoschlange wird immer länger. Alle wollen das ›verschwundene‹ Gebäude sehen.«
Der Lieutenant drückte sich grammatikalisch falsch aus, aber der Captain wußte, was gemeint war.
»Ich gebe sofort Alarm!« rief Hamilton und erhob sich. »Ich verständige das Polizeihauptquartier in der Centre Street, den Commissioner und den Mayor – den Bürgermeister – von New York City. Sämtliche verfügbaren Streifenwagen und Fußstreifen zu dieser Kreuzung. Die ganze Sektion wird abgeriegelt.«
Leise fügte er hinzu: »Wichtiger als alles andere ist es aber, daß ich so schnell wie möglich John Sinclair erreiche.«
***
Frank Harper hatte uns gesagt, wo er den alten Montague und Asenath auferweckt hatte. Im Heizungskeller des Wolkenkratzers an der Ecke Dritte Avenue – 24. Straße. Er hatte auch noch manches andere erzählt, was er bei seinen Nachforschungen herausgefunden hatte.
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