0044 - Wir kämpften nach drei Seiten
Flaschen, einer Staffelei, Bilderrahmen, Farbtöpfen. Es sah aus wie in der Rumpelkammer eines Mannes, der nicht fähig ist, auch den zerbrochensten Gegenstand fortzuwerfen. Das einzig gepflegte Ding hier schien das Telefon mitten auf dem Tisch zu sein.
Edmond Kaletschew war auf eine Art Diwan gesunken.
»Polizei«, stammelte er. »Polizei! Aber ich habe nichts verbrochen. Ich bin ein armer, kränklicher Mann. Tue niemandem etwas. Friste hier mein Leben. Warte auf den Tod.«
Ich sötzte mich vorsichtig auf einen Stuhl, der mir leidlich sauber zu sein schien.
»Sie sind Ausländer?«, fragte ich, denn Kaletschew sprach ein sehr hartes Englisch.
»Nein, nein. Bin Bürger. Schon lange. Habe alle Papiere. Warten Sie.«
Er wollte aufstehen, um seine Papiere zu holen. Ich winkte ab.
»Es handelt sich um das hier«, sagte ich und tippte auf das Telefon.
Seine Augenlider flatterten.
»Nun, ein Telefon. Nichts besonderes, Sir! Habe ein Geschäft. Verkaufe Bilder. Brauche ein Telefon.«
»Keine Lügen, Kaletschew«, fuhr ich ihn scharf an. »Ich wette, Sie haben seit Jahren kein Bild verkauft. Das Telefon dient einem anderen Zweck. Wer ruft Sie an?«
»Ich weiß es nicht«, jammerte er, aber er konnte nicht gut lügen. Nach fünf Minuten schon gestand er.
»Ein Herr ruft an. Nennt sich Jul. Das ist alles. Er sagt nie mehr, als ,Hier ist Jul’. Und dann hängt er ein.«
»Schön, so weit wären wir schon. -Und was tun Sie dann, mein Freund?«
»Ich hänge das Handtuch hinaus.«
»Was tun Sie?«, fragte ich überrascht.
»Das Handtuch«, stotterte er und zeigte auf das große Wandfenster.
Es dauerte noch eine Weile, bis ich alle Einzelheiten erfahren hatte.
Vor zwei Jahren hatte ein Mann Kaletschew aüfgesucht. Er hatte unter dem Vorwand, ein Bild kaufen zu wollen, die Wohnung des Malers inspiziert und war dann mit dem Vorschlag herausgerückt, dass er auf Kaletschews Namen hier ein Telefon einrichten wollte. Kaletschew habe nichts anderes zu tun, als möglichst ständig in seiner Wohnung anwesend zu sein, und sobald er einen Anruf bekäme, bei Tag ein Handtuch an einen Pfahl aufzuhängen, der auf dem Dach vor seinem Atelier zum Wäschetrocknen stand, und bei Nacht eine Laterne. Um alles andere habe er sich nicht zu kümmern. Monatlich würden ihm zweihundertundfünfzig Dollar übersandt. Davon müsse er die Anschlussgebühren bezahlen. Der Rest sei für ihn. Bedingung wäre, dass er niemandem davon erzähle und dass er seine Wohnung Tag und Nacht praktisch nicht verließe, höchstens morgens zwischen neun und zehn Uhr könne er seine Einkäufe machen.
Kaletschew, der längst jede Hoffnung auf Erfolg verloren hatte, der außerdem keine Freunde besaß, dafür aber eine Schwäche für Whisky, willigte nur zu gern ein. Zweihundertundfünfzig Dollar waren für ihn eine sagenhafte Summe, und er tat alles, um diese Einnahmequelle nicht zu verlieren. Pünktlich befolgte er die Anweisungen des Fremden, der sich nach jenem Besuch nicht mehr sehen ließ. Angestellte der Telefongesellschaft legten die Leitung, und Edmond Kaletschew bewachte das Telefon und hisste Handtuch oder Laterne.
Natürlich versuchte ich, von ihm eine Beschreibung des Mannes zu bekommen, und er quälte sich redlich ab, mir sie zu liefern, aber er hatte den Burschen nur einmal gesehen, denn das Geld erhielt er durch die Post. Er brachte mir einen Überweisungsschein. Schreibmaschinenschrift, keine Absenderangabe.
Durch die windschiefe Glastür trat ich auf das flache Dach hinaus. Nummer 1516 war das größte Haus der Umgebung. In einem Halbkreis lag vor mir das Häuser- und Dächergewirr des ganzen Viertels. Aus Hunderten von Fenstern konnte man Kaletschews Signalgeberei sehen, und wenn man ein Fernglas zur Hilfe nahm, sogar aus ein paar Tausend.
Unwillkürlich musste ich lachen. Die primitive Methode schützte den Chef davor, selbst entdeckt zu werden, wenn seine Nachrichtenquelle angezapft wurde. Sie deckte ihn außerdem gegen abtrünnig werdende Untergebene, und ich hatte das sichere Gefühl, dass der Hinweis auf die Telefonnummer LW 5 71 11 von einem Mitglied der Bande stammte, das seinem Chef aus irgendwelchen Gründen persönlicher Unzufriedenheit das FBI auf den Hals hetzen wollte.
Es war sinnlos, unter den Tausenden von Fenstern das eine herausfinden zu wollen, von dem aus Kaletschews Atelier beobachtet wurde. Es konnte sogar gut sein, dass Kaletschews Botschaften nicht von einem Mitglied des Rauschgiftringes direkt aufgenommen wurden,
Weitere Kostenlose Bücher