0045 - Die Werwölfe von Wien
erregt. Endlich weiß ich, wo sie stecken!
Er warf einen Blick auf den Zettel, steckte ihn ein und erhob sich. »Sie haben prompte Arbeit geleistet, Herr Thelen. Haben Sie dafür vielen Dank. Ich werde Sie bei Gelegenheit ganz bestimmt weiterempfehlen.«
Thelen stand lächelnd auf. Er reichte seinem Klienten über den Tisch hinweg die Hand. »Tun Sie das.«
Benno hastete aus dem Büro des Privatdetektivs. Er setzte sich in seinen Opel Kadett und rauschte unverzüglich ab. Während der Fahrt überlegte er, ob es richtig gewesen war, zu Karin Stegmann so offen zu sein.
Er hatte sie ziemlich arg vor den Kopf gestoßen. Sie war kurz darauf aufgestanden und hatte gemeint, es wäre wohl besser, wenn sie einander nicht mehr wiedersehen würden.
Er hatte im Augenblick keine Zeit, um sich weiter um das Mädchen zu bemühen. Wichtigere Dinge waren jetzt zu tun.
Benno hoffte, daß Karin Stegmann nicht zur Polizei ging. Er hatte ihr viel zuviel erzählt. Wenn sich Karin mit diesem Wissen an die Polizei wandte, würde man Edda und Alban Tozzer möglicherweise in Schutzhaft nehmen.
Das durfte nicht geschehen, denn damit wären Bennos Pläne total über den Haufen geworfen worden.
Er konnte nur hoffen, daß Karin ihn für einen Verrückten hielt, der irgendwelchen Blödsinn dahergeredet hatte. Sie durfte nicht zur Polizei gehen. Nicht jetzt, wo er so nahe vor dem Ziel stand.
Benno fuhr die Favoritenstraße stadteinwärts. Das Büro des Privatdetektivs befand sich im vierten Bezirk. Benno hatte Rainer Thelen aus dem Telefonbuch herausgepickt.
Gushausstraße, Schwarzenbergplatz… Benno fuhr am Interconti vorbei, er ließ den Stadtpark und das Hilton-Hotel hinter sich. Sein Ziel war die an den Wiener Prater grenzende Ausstellungsstraße.
Dort wohnten Edda und Alban Tozzer – laut Rainer Thelen – nun. Benno saß wie auf glühenden Nadelspitzen. Vor jeder roten Ampel fluchte er wüst. Er trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad und konnte es kaum erwarten, bis die Ampel umschlug.
Mitten in einer Blechlawine wurde er schließlich in den Kreisverkehr am Praterstern geschwemmt. Dann kam die Ausfahrt… Ausstellungsstraße!
Bennos Herz trommelte ungestüm gegen die Rippen. Kleine Schweißtröpfchen bildeten sich auf seiner Stirn. Die nervliche Anspannung wurde ihm zur Qual.
Da trat eine alte, gebrechliche Frau auf die Fahrbahn. Ohne auf den Verkehr zu achten. Sie hatte genug mit sich selbst zu tun.
Bennos Augen weiteten sich. Blitzschnell wechselte sein Fuß vom Gas zur Bremse. Gleichzeitig riß er das Lenkrad nach links. Schrill kreischten die Reifen. Der Kadett drehte sich.
Mit der Breitseite schlitterte er auf die erstarrte Frau zu. Den Passanten stockte der Atem.
Ganz knapp vor der Alten kam der Opel zum Stehen. Benno schnellte mit bleichem Gesicht aus dem Wagen.
Er lief auf die alte, aufgeregte Frau zu. »Liebe Güte, Sie können doch nicht blind über die Straße rennen!« schimpfte der Junge, um die furchtbare Erregung loszuwerden. »Dort vorn ist ein Zebrastreifen. Warum überqueren Sie nicht dort die Straße? Dort war’s für Sie ungefährlich.«
Die ersten Neugierigen kamen näher. Nur kein Aufsehen jetzt! dachte Benno Messmer.
»Es tut mir leid«, sagte die alte Frau mit einer dünnen, brüchigen Stimme. »Es war nicht Ihre Schuld…«
»Kommen Sie«, sagte Benno kurz entschlossen. Er nahm die Frau bei der Hand und führte sie über die Straße. Dann kehrte er zu seinem Wagen zurück und setzte die Fahrt fort.
Es war nicht mehr weit. Edda und Alban Tozzer wohnten gegenüber dem Messegelände. Im ersten Stock. Benno stellte seinen Wagen in der Nähe des Hauses ab. Wenig später stand er unter der ausladenden Krone einer alten Linde. Mit glühenden Augen starrte er zu den Fenstern im ersten Stock hinauf.
Dort oben also wohnten sie. Edda und Alban Tozzer – seine Eltern!
Er griff in die Manteltasche, holte ein Fünfzig-Groschen-Stück heraus und warf es an die Scheibe im ersten Stock. Dann zog er sich blitzschnell hinter den Baum zurück.
Vorsichtig linste er dahinter hervor. Zunächst geschah nichts. Er wollte noch eine Münze ans Fenster werfen, aber da wurde plötzlich der Vorhang zur Seite geschoben, und eine dunkelhaarige Frau erschien.
Eine fremde Frau, die Benno Messmer noch nie im Leben gesehen hatte. Dennoch sagte ihm beim Anblick dieser Frau die Stimme des Blutes, daß er seine Mutter vor sich hatte.
Die Frau dort oben war sehr schön. Sie war noch keine vierzig Jahre, ihr
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