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0046 - Die Dämonenschmiede

0046 - Die Dämonenschmiede

Titel: 0046 - Die Dämonenschmiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wunderer
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die Leichen so schnell wie möglich begraben«, erklärte ich ihnen. »Wenn wir sie liegen lassen, steht Ranverness nicht mehr lange. Und dann wird es auch keine Überlebenden geben.«
    Die Männer erbleichten und beeilten sich, die Toten hochzuheben. Bill und ich übernahmen den Schluß des Zuges. Wir wollten die Leute gegen Angriffe der Dämonen abschirmen.
    »Hast du vorhin nicht zu dick aufgetragen?« fragte mein Freund so leise, daß es die Dorfbewohner nicht hörten.
    Ich schüttelte verbissen den Kopf. »Alles, was im Wald bei Ranverness geschieht, wirkt sich auf das Dorf aus. Noch bleiben die Dämonen in der Schmiede und im angrenzenden Wald. Aber wer garantiert das? Sobald ihre Waffe fertig ist, werden sie ihren Einfluß ausweiten. Und was liegt ihnen da im Weg? Was bietet sich förmlich an? Wo können sie ihre Waffe zuerst ausprobieren?«
    Bill nickte ernst. »Richtig, das ist Ranverness. Wir müssen es den Leuten klarmachen, damit sie uns helfen.«
    »Ich bin schon zufrieden, wenn sie den Leichentransport übernehmen. Mehr verlange ich gar nicht.« Ich blickte mich um, doch von unseren Gegnern war keine Spur zu sehen. Sie überließen uns die Toten. Auch das konnte eine Falle sein. Ich durchschaute das Spiel der bösen Mächte noch nicht.
    Im Dorf angekommen, organisierte ich eine rasche Bestattung. Ich kannte Begräbnisse in diesen kleinen Dörfern. Alle Einwohner gingen hinter den Särgen her, weil alle irgendwie mit den Toten verwandt waren. Diesmal war es anders.
    Als sich am späten Nachmittag die beiden schlichten, in aller Eile angefertigten Holzsärge in die Erde senkten, standen nur die Eltern des unglücklichen Mädchens am Grab. Nicht einmal der Freund Jane Intocks hatte den Mut, sich zu zeigen.
    Das Dorf wirkte während der Beerdigung wie ausgestorben. Die Menschen blieben in ihren Häusern und hielten die Türen und Fenster geschlossen, obwohl es ein warmer Tag war.
    Bill und ich hielten uns im Hintergrund. Wir wollten nicht aufdringlich erscheinen. Außerdem hatten wir die Sicherung des Dorfes übernommen. Falls die Dämonen während der schlichten Zeremonie einen Überfall starteten, mußten wir eingreifen.
    Es blieb ruhig. Der Himmel war strahlend blau, eine Seltenheit für Schottland. Kein Lufthauch regte sich. Sämtliche Tierstimmen waren verstummt, so daß das Poltern der Erdschollen auf den Särgen wie das Donnern eines heraufziehenden Gewitters klang.
    Die Angst lag greifbar in der Luft, und als wir uns vom Friedhof entfernten, glaubte ich, ein vielstimmiges Stöhnen zu hören.
    Ich blieb verblüfft stehen und sah mich nach allen Seiten um. Bill deutete zur Friedhofsmauer.
    Ich merkte, daß ich einer Sinnestäuschung aufgesessen war. Es war gar kein vielstimmiges Stöhnen gewesen. Kelly MacGowan kauerte neben der Friedhofsmauer. Ihr Gesicht war weiß, ihre Augen weit aufgerissen. Aus ihrem Mund drang das Stöhnen, das ich vorhin gehört hatte.
    »Kelly!« Ich ging besorgt auf sie zu. »Ist Ihnen nicht gut? Fühlen Sie sich…?«
    Ich brach ab, weil ich merkte, daß sie mich nicht hörte. Sie stand unter Trance.
    Ich blieb vor ihr stehen und streckte ihr die Hand entgegen.
    Für einen Moment klärte sich ihr Blick. Sie schien mich zu erkennen.
    Doch gleich darauf stieß sie einen gellenden Schrei aus, sprang auf und floh.
    ***
    Ich rannte hinter dem Mädchen her, konnte es jedoch nicht einholen. Kelly lief wie eine Katze, weich und geschmeidig und doch kraftvoll. Sie erinnerte mich an Menschen, die in der Wildnis aufgewachsen waren. Sie bewegte sich mit ähnlicher Sicherheit. Ohne auch nur ein einziges Mal zu stolpern, hetzte sie über die unebene Wiese vor dem Dorf und erreichte lange vor mir den Waldrand.
    Trotzdem gab ich noch nicht auf, sondern hetzte weiter. Ich blieb erst kurz vor den Bäumen stehen und holte tief Luft. Dabei atmete ich nur mit weit geöffnetem Mund, damit ich keine Geräusche überdeckte. Es konnte sich um eine Falle handeln.
    Als alles still blieb, sah ich mich kurz um. Bill kam hinter mir her, hatte aber erst die halbe Strecke hinter sich.
    Ich konnte nicht auf meinen Freund warten. Das hätte mich zuviel Zeit gekostet. Deshalb drang ich vorsichtig in den Wald vor.
    Hier herrschte bereits Dämmerlicht. Alles verschmolz zu einer dunklen, undefinierbaren Masse. Die natürlichen Geräusche des Waldes wirkten auf einmal bedrohend. Ich glaubte, überall huschende Schatten zu sehen. Scheußliche Fratzen entpuppten sich beim Näherkommen als verkrüppelte Baumstämme.

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