0049 - Die Erde stirbt
betrachtete den erloschenen Bildschirm. Deutlich erkannte er in dem matten Glas den jungen Offizier, der hinter ihm stand.
„Ich habe nur gedacht, mehr nicht, Ra-Gor. Hinzu kommt, daß ich meine Gedanken für mich behielt und sie niemand mitteilte."
„Doch, mir!" Al-Khor nickte. „Ohne es zu wollen, junger Freund. Sie haben sich aus eigener Schuld mit einem Wissen belastet, das zu schwer für Ihre jungen Schultern sein dürfte. Ich will Ihnen helfen, die Last zu tragen."
„Das ist unnötig. Al-Khor, ich werde allein damit fertig. Der Diktator wird mir dankbar sein, wenn ich ihm erkläre, was für ein Feigling sein Oberkommandierender war ..."
„Was?"
„Ja, denn Sie werden nicht lebendig nach Topsid zurückkehren, die Schande sollte den tapfer kämpfenden Offizieren erspart bleiben. Oder ziehen Sie es vor, öffentlich hingerichtet zu werden?"
Al-Khor erkannte, daß ihm keine andere Wahl blieb. Er war stets ein treuer Untertan des Diktators gewesen, wenn er auch seine Methoden nicht immer billigte. Aber nun von einem ehrgeizigen Dummkopf angeprangert zu werden - nein, das ging zu weit.
Unauffällig zog er die Waffe und entsicherte sie. Im Reflex des Bildschirms konnte er sehen, daß Ra-Gor noch zögerte, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Hatte er plötzlich Angst bekommen? Dazu war es nun zu spät, und Al-Khor verspürte nicht das geringste Mitleid oder Erbarmen, als er blitzschnell herumschwang und die Pistole auf den überraschten Offizier richtete.
„Meuterei wird mit dem Tode bestraft, Ra-Gor. Als Kommandant verfüge ich über die Urteilsgewalt. Ich verurteile Sie hiermit zum Tode. Das Urteil ist sofort zu vollstrecken. Sie dürfen sogar Ihre eigene Waffe behalten und anwenden ..."
Aber der Verurteilte kam nicht mehr dazu, die allzu geringe Chance zu nutzen. Noch ehe der Strahler aus dem Gürtel war, starb er. Al-Khor starrte einige Sekunden mit angewidertem Gesicht auf die sterblichen Überreste des jungen, strebsamen Offiziers, der sich auf seine Kosten einen Vorteil hatte verschaffen wollen. Dann wandte er sich wieder um und hantierte an den Kontrollen.
Die Berichte der kämpfenden Truppe kamen unzensiert und ohne jede Ordnung und Übersicht. Bereits nach wenigen Minuten wußte Al-Khor, daß die Schlacht endgültig verloren war. Die Übermacht des Feindes war zu groß. Was blieb, war nur eine sehr geringe Möglichkeit, ein Strohhalm, wenn man so wollte.
Mit einem harten Schlag seiner Hand ließ er die sich überschlagenden Stimmen verstummen. Alle Stationen gingen automatisch auf Empfang. Jeder würde nun seine Stimme hören können.
„An alle Offiziere! Hier spricht Al-Khor, Kommandant." Er machte eine kleine Pause, um Luft zu holen.
„Wir geben Lyrad drei auf und stellen die Springer im Raum zum Kampf. Wir siegen - oder wir sterben! Ende!"
Ende...!
Das Wort hallte in Al-Khor nach, als er sich erhob und die notwendigen Anweisungen erließ.
*
Als die TOP II materialisierte und auf den Bildschirmen die riesige, blutrote Sonne Beteigeuze erschien, war es Topthor, als erhielte er einen Schlag ins Gesicht.
Fassungslos und stumm starrte er auf das Unglaubliche, das sich seinen aufgerissenen Augen darbot. Das ... die Sonne des Planeten Terra? Nie im Leben! Dieses rote Riesenauge war eine ihm völlig unbekannte Sonne, so grundverschieden von dem gelblichen Stern, daß ein Blinder den Unterschied bemerkt hätte.
Und Topthor war alles andere als blind.
Sein erster Gedanke war, sofort die Funkverbindung mit Cekztel herzustellen und den Irrtum aufzuklären, aber dann blieb er sitzen und starrte weiter stumm auf das unglaubliche Bild. Er versuchte, eine Erklärung zu finden, aber es gelang ihm nicht. Auf keinen Fall konnte das positronische Gehirn in der Navigationsabteilung sich irren, das war so gut wie ausgeschlossen. Die Daten waren damals an Ort und Stelle aufgenommen und gespeichert worden. Da gab es keinen Irrtum!
Topthor war ein sachlicher Denker, und als solcher gab er es bald auf, eine Erklärung für das Unmögliche zu suchen; das hatte Zeit bis später. Im Augenblick war es wichtig, sich mit der Tatsache abzufinden und sich die Konsequenzen zu überlegen.
Erste Konsequenz: Er setzte sich mit Cekztel in Verbindung und gab zu, die Flotte an einen falschen Ort gebracht zu haben. Was wäre die Folge? Topthor wurde bald übel, als er daran dachte. Die Vorwürfe würden auf ihn niederprasseln, obwohl er sich keiner Schuld bewußt war. Aber wer würde schon darauf achten?
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