0049 - Ich und der Teufel MAM
gute Mann das wissen?«
»Keiner der drei jungen Leute hatte eine Liebelei in Campeche; sie lebten, wenn sie sich zur Erholung dort befanden, sehr zurückgezogen und kannten so gut wie keinen Menschen.«
Wie ein Keulenhieb trafen mich die Worte des Riesen: »Und was weiß der Comissario davon, ob die drei nicht hier in Chichen Itza das gehabt hatten, was sie in Campeche nicht suchten?« Es bedurfte geraumer Zeit, um mich zu sammeln. Zuerst leerte ich meinen Whisky-Soda, goß nach, vergaß auch nicht mit der Silberzange Eisstücke ins Glas zu tun, dann erst blickte ich den Archäologen fest an und sagte:
»Sie sprachen vorhin davon, daß es Ihre Pflicht sei, mir auf meine Fragen zu antworten. Und nun frage ich Sie, Doktor Jopling: Was steckt hinter Ihrer Andeutung, daß die drei Ermordeten in Chichen Itza das gehabt hätten, was sie in Campeche nicht zu suchen brauchten?«
»Ich verweigere in diesem Falle die Aussage — ich glaube, so heißt die Redewendung vor den Schranken des Gerichtes. Im übrigen sehe ich mich nicht bemüßigt, Ihnen womöglich die falsche Richtung anzugeben. Damit würde Ihre Aufgabe nur erschwert. Ich halte es für richtiger, Sie gehen ohne Vorurteile und Beeinflussung an die Arbeit. Sie werden ja schon bald jeden hier unter die Lupe genommen haben und in der Lage sein, sich davon zu überzeugen, daß es in dem kleinen Kreis Menschen gibt, die zu schwach sind, das ihnen aufgebürdete Schicksal aktiv zu meistern. Dem ewigen, stets von neuem anstürmenden Chaos Gestalt zu verleihen, das ist eine Kunst, die nur ganz wenige Menschen beherrschen, und deshalb gibt es immer wieder bei ganzen Völkern, wie auch im einzelnen Menschen, Chaos, Anarchie, Terror und Verbrechen.«
Er schlug mir auf die Schulter und ließ mich stehen. Ich kehrte, von einer Menge Gedanken und Zweifel bestürmt, zu meinem Bungalow zurück. In welch eine merkwürdige Gesellschaft war ich geraten, in welch eine geheimnisvolle Welt!
Yukatan war mir behilflich, die Koffer auszupacken und zeigte mir hinter dem Bungalow die »Badeeinrichtung«. Sie bestand aus einer Aluminiumwanne, in der ich Platz nahm, worauf Yukatan mir vier Eimer Wasser über Kopf und Rücken goß. Einfach und doch den Zweck erfüllend.
Den scheuen Burschen jetzt schon nach seinen früheren Herren auszufragen, schob ich für später auf. Erst mußten wir beide warm miteinander geworden sein. Dann machte ich Toilette.
Dr. Jopling holte mich ab.
Alle Expeditionsmitglieder waren bereits versammelt. Der Doktor schob mich mit seinen Pranken von einem zum anderen und stellte mich vor.
Ich bekam den Ehrenplatz zur Rechten des Expeditionsleiters. Schon nach einer Stunde konnte ich mir ein Bild von jedem der Anwesenden machen. Und das sah folgendermaßen aus:
Mr. Horace Greet, Professor für Archäologie und Amerikanistik am Rockefeller-Institut, war etwas über 50 Jahre alt, mager, groß und hatte eine ungemein hohe Stirn über einem ausdrucksvollen Gesicht. Sein ergrautes Haar war lockig und lag wie eine Löwenmähne um den schmalen Gelehrtenkopf. Der dreifache Mord schien ihn nur am Rande zu interessieren. Er gehörte zu jener Kategorie von Wissenschaftlern, für die alles, was nicht mit ihrem Spezialfach zusammenhängt, zur Bagatelle zusammenschrumpft.
Menschenkenntnis gehörte nicht in sein Fach. Wie die meisten Gelehrten war er in seinem Denken gradlienig, einfach und naiv. Von den I. und II. Mayadynastien wußte er alles, aber was sich sonst um ihn her ereignete, sofern es sich nicht um Dinge handelte, die unmittelbar zur Expedition gehörten, war für ihn uninteressant. Immer wieder kam er auf das Relief mit den Elefantenköpfen zu sprechen.
Natürlich bedauerte er die drei Studenten, gab sich auch redlich Mühe, mir zu zeigen, wie ihm deren tragischer Tod zu Herzen ging, aber dann war er wieder bei seinen Elefanten.
Das war Professor Horace Greet.
Seinen Kollegen Steven O'Gar kannte ich bereits. Neben Horace Greet wirkte er gar nicht wie ein Gelehrter, eher wie ein Bonvivant, der nur ungerne durch Schwierigkeiten gestört wird und es vorzieht, ihnen aus dem Wege zu gehen.
Mrs. O'Gar war äußerlich das Gegenteil ihres rundlichen, pausbäckigen Gatten. Hager, schweigsam, das scharfe Profil mir zugewandt, saß sie auf ihrem Stuhl so steif, als hätte sie einen Stock verschluckt.
Später erfuhr ich, daß sie zehn Jahre älter war als ihr Mann und ihm das Studium ermöglicht hatte. Bereits drei Ehemänner hätte sie überlebt und hatte, nachdem sie
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