005 - Der Griff aus dem Nichts
mißgestaltete Personen wie Roul Schwartz muß eine tiefere Ursache haben.«
»Ach, jetzt spielen Sie den Seelenforscher«, meinte Dorothy spöttisch. »Dabei ist meine Verhaltensweise ganz einfach zu erklären. Wer kann es mir verübeln, daß ich diesen Kretin nicht als meinen Partner haben möchte?«
»Sie glauben doch, daß Fuller Ihnen Roul Schwartz auf den Hals gehetzt hat«, sagte Dorian.
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, murmelte Dorothy und lachte gekünstelt. »Wie kommen Sie denn dazu, von Dr. Fuller so zu sprechen, als sei er noch hier? Dabei weiß jedermann, daß er sich nach Europa abgesetzt hat.«
Dorian sah sie ernst an. »Ich habe Ihnen bei unserem ersten Zusammentreffen gesagt, daß ich Jäger sei, Dorothy. Das war wörtlich gemeint. Ich jage Fuller. Ich bin von London hierher geflogen, um ihn zu stellen. Und ich weiß jetzt mit absoluter Sicherheit, daß er sich hier aufhält. Er muß eine andere Identität angenommen und sein Aussehen verändert haben, aber er ist immer noch hier tätig. Sie könnten mir helfen, ihn zur Strecke zu bringen, Dorothy.«
»Wenn Fuller tatsächlich unter einem falschen Namen hier lebt«, meinte sie gedehnt, »wer beweist mir dann, daß Sie nicht er sind?«
»Wenn ich Fuller wäre, dann hätte ich mich bestimmt nicht in diese verteufelte Lage hineinmanövriert«, sagte Dorian. »Außerdem war Fuller klein und schmächtig. Aber das ist kein stichhaltiges Argument. Er ist ein vollendeter Verwandlungskünstler. Er hat die Fähigkeit, jedes beliebige Aussehen anzunehmen. Wenn er in der Lage ist, normal gewachsenen Mädchen übermenschliche Fähigkeiten zu geben und Armen ohne Körper Leben einzuhauchen, dann …«
Dorothy hielt sich die Ohren zu.
»Hören Sie auf!« schrie sie.
Er hielt inne und fragte mit gesenkter Stimme: »Wovor haben Sie Angst, Dorothy? Was hat Fuller Ihnen angetan?«
Dorothy gab ihm keine Antwort darauf. Nach einer Weile sagte sie jedoch: »Ich muß Ihnen wohl glauben, Dorian. Ich habe keine andere Wahl. Sie wollen Fuller zur Strecke bringen? Ich kann nur hoffen, daß es Ihnen gelingt.«
»Wenn Sie mir alles, was Sie über ihn wissen, sagen, dann bringt mich das bestimmt einen großen Schritt weiter.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann es noch nicht. Ich muß erst eine Nacht darüber schlafen.« Sie ergriff plötzlich seine Hände und blickte ihn flehend an. »Bleiben Sie diese Nacht bei mir, Dorian! Ich fürchte mich allein in diesem großen Haus. Morgen sieht alles schon ganz anders aus.«
»Ich bleibe gern«, meinte Dorian lächelnd. »Ich wüßte sowieso nicht, wohin ich mich wenden soll. Nur noch eine Frage: Ist Dr. Hopper zuverlässig?«
»Wenn Sie vermuten, daß er mit Fuller zusammenarbeiten könnte, dann schlagen Sie sich das besser gleich aus dem Kopf«, sagte Dorothy bestimmt. »Er muß Fuller mindestens ebenso fürchten wie ich.«
Dorian überlegte, ob er Dorothy sagen sollte, daß Hopper aller Wahrscheinlichkeit nach zum Sanatorium hinausgefahren war, aber er kam zu dem Schluß, daß er ihr das besser verschwieg.
»Wo kann ich schlafen?« fragte er.
Sie machte eine umfassende Handbewegung. »Im Erdgeschoß stehen ein Dutzend Schlafzimmer zu Ihrer Verfügung. Suchen Sie sich eines aus. Wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann, sagen Sie es jetzt. Ich bin müde und möchte zu Bett gehen.«
»Ich brauche nichts mehr. Danke. Ziehen Sie sich nur zurück. Ich werde schon allein zurechtkommen.«
Er sah ihr nach, als sie die Rundtreppe ins Obergeschoß hinaufstieg. Sie öffnete die Tür zu ihrem Bad, winkte ihm noch zu und verschwand.
Dorian ging zum Telefon. Gerade als er Jeff Parkers Nummer wählen wollte, gellte ein Schrei durchs Haus, der ihm durch Mark und Bein ging. Er ließ den Hörer fallen und wandte sich der Treppe zu. In diesem Moment ging Dorothys Schlafzimmertür auf, und ein schaurig anzusehendes Wesen kam herausgelaufen. Dorian hatte in seinem ganzen Leben noch nichts Vergleichbares gesehen. Es war menschenähnlich, einen Meter groß, hatte einen überdimensionalen Kopf und eine durchsichtige Haut, durch die sich die Adern abzeichneten. Es sah wie ein ins Riesenhafte mutierter Fötus aus.
Das seltsame Geschöpf rannte über den Korridor.
Dorothy hetzte hinter ihm her. In ihrer Hand blitzte ein riesiges Küchenmesser.
»Dorothy!« rief Dorian entsetzt und rannte die Treppe hinauf, immer drei Stufen auf einmal nehmend. Als er am oberen Treppenabsatz angekommen war, sah er Dorothy in einem Zimmer
Weitere Kostenlose Bücher