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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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erfahrenes Auge konnte keine Spur von Tränen entdecken. Sie war verdutzt und etwas beunruhigt. Sie war zu weit gegangen, dachte sie, und mußte einlenken; das war besser, als die Entzweiung weiter gedeihen zu lassen; dann würde Edith schon um Verzeihung bitten.
    Es ärgerte sie, sich in dieser Lage zu finden, aber sie war in allererster Linie ein guter Taktiker, und es wäre eine schlechte Taktik ihrerseits gewesen, sich auf eine nachteilige Stellung zu versteifen. Lieber wollte sie den ›Vorkriegszustand ‹ wiederherstellen. Sie war daher sehr unangenehm berührt, als sie merkte, daß ihr auch diese Möglichkeit für immer genommen war.
    Wenn sie gehofft hatte, die Abendgesellschaft würde das Mädchen in Verwirrung bringen, so daß es sich unter ihre Fittiche begeben würde, so wurde sie rasch eines Besseren belehrt; zu ihrem Erstaunen unterhielt sich Edith über ihre Heirat, wie sie es nie zuvor getan hatte, ohne jede Verlegenheit, ohne zu stocken, kühl, vernünftig und gewandt.
    Gegen Ende des Abends beherrschte Edith das Feld. Frau Cathcart wartete, bis der letzte Gast fort war, dann kam sie in das kleinere Empfangszimmer, um Edith aufzusuchen, die am Kamin stand und nachdenklich auf ein Blatt blickte, das auf dem Sims lag.
    »Was interessiert dich so sehr, meine Liebe?« Das Mädchen schaute sich um, nahm das Blatt an sich und faltete es langsam.
    »Nichts Besonderes«, sagte sie. »Dein Doktor Barclay ist ein amüsanter Mann.«
    »Er ist ein sehr tüchtiger Mann«, erwiderte ihre Mutter streng.
    Sie hatte unbegrenztes Vertrauen zu den Ärzten und zollte ihnen einen Tribut von Achtung, den man sonst nur für überirdische Wesen übrig hat.
    »Ist er das?« sagte das Mädchen trocken. »Ich will es gern glauben. Warum lebt er in Leeds?«
    »Wahrhaftig, Edith, du kommst aus deinem Schneckenhaus heraus«, erwiderte ihre Mutter mit einem ungezwungenen Lächeln der Anerkennung. »Ich habe früher nie gemerkt, daß du so lebhaftes Interesse an Leuten aus der Gesellschaft nimmst.«
    »Ich werde mich von nun ab viel mehr um die Leute kümmern«, entgegnete das Mädchen gelassen. »Ich habe mein ganzes Leben lang soviel entbehrt.«
    »Ich finde, du bist ein wenig rücksichtslos«, sagte ihre Mutter, mit Mühe ihren Zorn unterdrückend; »du bist wirklich sehr unliebenswürdig. Ich vermute, all dieser Unsinn rührt von unserm vorherigen Gespräch her.«
    Das Mädchen gab keine Antwort. »Ich denke, ich werde zu Bett gehn, Mutter«, sagte sie dann.
    »Da du schon einmal dabei bist, dir eine Meinung über die Leute zu bilden«, sagte Frau Cathcart mit verdächtiger Ruhe, »wirst du mir vielleicht auch eine Erklärung über das Benehmen deines Verlobten geben können. Doktor Barclay hätte ihn besonders gerne kennengelernt.«
    »Ich kann dir über gar nichts eine Erklärung geben«, entgegnete das Mädchen.
    »Schlag nicht diesen Ton gegen mich an«, erwiderte ihre Mutter scharf.
    Edith, die schon halbwegs an der Tür war, blieb stehen; sie wandte sich kaum um, sondern sprach nur über die Schulter. »Mutter«, sagte sie mit ruhiger Bestimmtheit, »ich möchte dir etwas klarmachen: wenn es noch einmal zu einem solchen Zwischenfall kommt und ich noch einmal unter deiner Härte zu leiden habe, werde ich die Verlobung lösen.«
    »Bist du verrückt?« stieß die Frau hervor.
    »Nein, aber ich bin müde«, sagte sie, »vieler Dinge müde.«
    Darauf hätte Frau Cathcart vieles zu erwidern gewußt, aber eine etwas verspätete Klugheit hieß sie ihre Zunge im Zaum halten, bis sich die Tür hinter ihrer Tochter geschlossen hatte. Dann ließ sie, obgleich es schon sehr spät war, die Köchin kommen, um sich mit ihr eine halbe Stunde lang grimmig über das schrecklich mißratene Omelett auseinanderzusetzen.

4
    Gilbert Standerton zog eben seinen Frack an, als sich Leslie anmelden ließ. Dieser junge Mann bot den feierlichen Anblick, der sich für einen Trauzeugen bei der Vermählung eines alten Freundes geziemt.
    Leslie Frankfort war eines jener vom Glück begünstigten Menschenkinder, denen ihr Einkommen erlaubt, den Genuß ihres Lebens nicht durch eine Berufstätigkeit beeinträchtigen zu lassen. Er war der jüngere Teilhaber einer bedeutenden Börsenmaklerfirma der City, einer Firma, die sich nur mit lukrativen Finanzgeschäften befaßte. Ebenso wie Gilbert fand er Freude an klassischer Musik; diese Vorliebe hatte die beiden Männer zuerst einander nähergebracht.
    Er trat ins Zimmer, legte seinen Zylinder behutsam auf einen

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