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005 - Die Melodie des Todes

005 - Die Melodie des Todes

Titel: 005 - Die Melodie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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ist der Tag aller Tage, lieber Freund.«
    Er sah den weichen Ausdruck, der in Gilberts Augen trat, und war befriedigt über die Wirkung seiner Worte.
    »Ja, Sie haben recht«, erwiderte Gilbert Standerton sanft. »Ich vergaß mein ganzes Glück.«
    Als sie das Haus verließen, fragte Gilbert:
    »Ich vermute, Sie haben eine Liste der Hochzeitsgäste?«
    »Ja«, sagte Leslie. »Frau Cathcart hat an alles gedacht.«
    »Wird Doktor Barclay-Seymour dabeisein?«
    »Barclay-Seymour - nein, er ist nicht dabei«, erwiderte Leslie.
    »Das ist der Mann aus Leeds, nicht wahr? Er ist gestern abend von London abgefahren. Was ist das eigentlich für ein Gerede, daß Sie an jenem Abend weggelaufen seien?«
    »Es war eine dringende Verabredung«, sagte Gilbert hastig. »Ich mußte einen Mann aufsuchen und durfte ihn keinesfalls verfehlen -«
    Leslie merkte, daß er eine verfängliche Frage gestellt hatte und wechselte das Thema.
    »Übrigens«, sagte er, »würde ich die Geldfrage vor Frau Cathcart nicht erwähnen, bis ihr euer Heim bezogen habt.«
    »Ich werde es auch nicht«, sagte Gilbert grimmig.
    Auf dem Weg zur Kirche rief er sich noch einmal all die Sorgen, die ihn bedrückten, vor Augen und schaute ihnen mutig ins Gesicht. Vielleicht würde es nicht so schlimm werden, wie er dachte. Er neigte immer dazu, seinen Kümmernissen eine übertriebene Bedeutung beizumessen und sich damit zu quälen. Wie oft schon hatte er Gefahren vorausgesehen, und immer wieder waren seine Befürchtungen grundlos gewesen. Er hatte zu lange allein gelebt. Ein Mann sollte vor seinem zweiunddreißigsten Jahr verheiratet sein. Mit nicht gerade schmeichelhaften Selbstbetrachtungen half er sich über die Zeit hinweg, bis sie die Kirche erreichten.
    Die Feier erlebte er wie im Traum: die dicht besetzten Kirchenstühle, die Orgel, der weißgekleidete Sängerchor, der Pfarrer, die Trauzeugen. Edith sah wunderschön aus in ihrem Brautkleid, aber alles kam ihm ganz unwirklich vor.
    Nachdem sie ins Haus zurückgekehrt waren und an der blumengeschmückten Tafel Platz genommen hatten, hörte er verwirrt die Reden und das laute Lachen an, das jedesmal erscholl, wenn ein Redner bei seiner Pointe angelangt war. Später erhob er sich selbst; er sprach mühelos und gewandt, aber er hätte nicht sagen können, welche Worte er gebrauchte oder warum die Leute Beifall klatschten oder warum sie lächelten.
    Einmal hatte er im Lauf seiner Rede Edith angeblickt und war ihren Augen begegnet, die heute, wie es ihm schien, weniger ängstlich dreinschauten, als er sie je gesehen hatte. Er hatte nach ihrer Hand getastet und sie in der seinen gehalten.
    »Eine ausgezeichnete Rede«, erklärte Leslie.
    Nach dem Frühstück ging man ins Empfangszimmer.
    »Du bist ein glänzender Redner.«
    »Wirklich?« sagte Gilbert.
    Er kam allmählich wieder zur Besinnung. Das Empfangszimmer war etwas Wirkliches, diese Leute waren wirklich, die Scherze, das Gerede und die Witze, die von Mund zu Mund flogen - alle diese Dinge zeugten von einem Leben, das er kannte.
    »Puh!« Er trocknete sich die Stirn und tat einen tiefen Seufzer. Er fühlte sich wie ein Mann, der nach einer Narkose, die nicht ganz wirksam gewesen war, wieder sein Bewußtsein erlangt hat. Ein schmerzloses und schönes Erlebnis, aber aus einer andern Welt, und, sagte er sich, das war nicht er gewesen, der vor dem Altar gekniet hatte.
    Offiziell sollten sie die Flitterwochen in Harrogate verbringen, in Wirklichkeit blieben sie in London. Man wahrte den Anschein, als benutze man die Eisenbahn und fuhr bis Kings Cross.
    Während dieser Fahrt wurde kein Wort gesprochen. Gilbert fühlte eine Hemmung, die er nicht bekämpfen oder beseitigen wollte. Das Mädchen war begreiflicherweise schweigsam. Am richtigen Ort und zur richtigen Zeit würde sie genug zu sagen haben. Er sah, wie die alte Ängstlichkeit in ihre Augen zurückkam, und war gekränkt durch ihr unbewußtes und unwillkürliches Zurückschrecken, als er ihre Hand berührte.
    In Kings Cross verließen sie den Zug, nahmen ein Taxi und fuhren zu dem Haus in St. Johns Wood. Niemand war dort, da die Dienerschaft Urlaub bekommen hatte.
    Der Haushalt war tadellos eingerichtet. Es gab elektrische Herde und jede arbeitsparende Bequemlichkeit, die ein Mensch sich ausdenken und ein junger Mann mit guten Aussichten und keinem besonders ausgeprägten Sinn für den Wert des Geldes sich anschaffen konnte. Das sollte eine ihrer Flitterwochenfreuden sein, so hatte es sich Gilbert ausgedacht. Er

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