005 - Die Melodie des Todes
summte er eine kleine Melodie vor sich hin.
Sorgfältig brannte er das Schloß aus und zweifelte nicht im geringsten am Gelingen, denn es war ein altmodischer Schrank.
Eine halbe Stunde lang wechselten sie weiter kein Wort miteinander. Der Mann mit dem Schneidbrenner fuhr in seiner Arbeit fort, der andre schaute mit schweigendem Interesse zu, bereit, seine Rolle zu spielen, wenn das Werk weit genug gediehen war.
Nach einer halben Stunde wischte sich der ältere der beiden mit dem Handrücken über seine schweißtriefende Stirn, denn die Hitze, die die Flamme von der Stahltür zurückstrahlte, machte sich tüchtig fühlbar.
»Warum hast du beim Türschließen solch einen Lärm gemacht?« fragte er. »Du bist doch sonst nicht so unvorsichtig, Calli.«
Der andre blickte ihn etwas erstaunt an.
»Ich habe durchaus keinen Lärm gemacht, mein lieber George«, sagte er. »Hättest du im Hauseingang gestanden, so hättest du es nicht hören können; wirklich, ich habe die Tür ebenso geräuschlos zugemacht, wie ich sie geöffnet habe.«
Der schwitzende Mann auf dem Boden lächelte.
»Das war allerdings leicht für dich«, meinte er.
»Warum?« fragte der andre.
»Weil ich sie gar nicht zugemacht habe. Du bist doch gleich nach mir hereingekommen.«
Etwas in dem Schweigen, mit dem seine Worte aufgenommen wurden, ließ ihn aufschauen. Das Gesicht seines Kameraden zeigte einen verblüfften Ausdruck.
»Ich habe die Tür mit meinem eigenen Schlüssel geöffnet«, sagte der junge Mann gedehnt.
»Du hast geöffnet…?« Der Mann, der auf den Namen George hörte, runzelte die Stirn. »Ich versteh’ dich nicht. Callidino. Ich hab’ doch die Tür offengelassen, und du bist hinter mir hereingekommen; ich bin schnurstracks heraufgegangen, und du bist mir gefolgt.«
Callidino schaute den andren kopfschüttelnd an.
»Ich habe die Tür selbst mit dem Schlüssel aufgeschlossen«, erklärte er ruhig. »Wenn jemand hinter dir hereinkam - nun, dann haben wir alle Veranlassung, nachzusehen, wer es ist.«
»Du meinst…?«
»Ich meine«, sagte der kleine Italiener, »es wäre äußerst mißlich, wenn ein dritter Gentleman bei dieser unpassenden Gelegenheit zugegen wäre.«
»Allerdings, das wäre fatal.«
»Warum?«
Die beiden fuhren verdutzt herum, denn die Stimme, die ohne eine Spur von Erregung diese Frage stellte, war die eines dritten Mannes; er stand unter der Tür, wo er in der Ecke des Zimmers gegen Beobachtung vom Fenster her geschützt war.
Er war im Gesellschaftsanzug und trug einen leichten Mantel über dem Arm.
Sie konnten nicht beurteilen, wie der Mann aussah, weil eine schwarze Maske sein Gesicht verhüllte.
»Bitte, rühren Sie sich nicht«, sagte er, »und betrachten Sie die Pistole in meiner Hand nicht als Drohung. Ich trage sie nur zum Selbstschutz, und Sie werden mir zugestehen, daß ich unter diesen Umständen und in Anbetracht meiner äußerst heiklen Lage sicher berechtigt bin, diese Vorsichtsmaßregel zu treffen.«
George Wallis ließ ein unterdrücktes Lachen hören.
»Sir«, sagte er, ohne seine Stellung zu verändern, »Sie sind vielleicht ein Mann nach meinem Herzen, aber ich werde besser Bescheid wissen, wenn Sie mir genau gesagt haben, was Sie eigentlich wollen.«
»Ich will lernen«, sagte der Fremde.
Er stand da und betrachtete die beiden mit offensichtlichem Interesse. Durch die Löcher der Maske blickten ein Paar lebhafter und scharfer Augen.
»Fahren Sie mit Ihrer Arbeit bitte fort«, sagte er. »Es wäre mir sehr unangenehm, Sie zu stören.«
George Wallis nahm den Schneidbrenner wieder zur Hand und wandte sich wieder zur Schranktür. Er war ein äußerst anpassungsfähiger Mann, und eine Situation, in der er sich nicht zu helfen wußte, war ihm noch nicht vorgekommen.
»Da es nun einmal«, sagte er, »gar nichts ausmacht, ob ich aufhöre oder weitermache, falls Sie ein Vertreter von Gesetz und Ordnung sind, kann ich ja ebensogut fortfahren. Denn wenn Sie kein Vertreter dieser beiden verehrungswürdigen, ausgezeichneten und notwendigen Einrichtungen sind, so könnte ich mir mit Ihrem Einverständnis wenigstens die Hälfte der Beute sichern.«
»Sie können das Ganze behalten«, sagte der Mann schroff. »Ich habe nicht den Wunsch, Ihre Beute mit Ihnen zu teilen, ich will nur in Erfahrung bringen, wie es gemacht wird.«
»Das werden Sie lernen«, sagte George Wallis, der berühmteste aller Einbrecher, »und zwar durch die Hand eines Sachverständigen, das dürfen Sie mir
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