005 - Gekauftes Glück
Napoleons Sympathisanten waren? Hatte Patrick nicht erkannt, daß dieser Teil der Welt zum Pulverfaß werden konnte, falls die Gerüchte, die über Elba kursierten, der Wahrheit entsprachen?
Brett schüttelte den Kopf und lächelte grimmig in sich hinein. Nein, natürlich konnte Patrick das nicht wissen. Selbst im Außenministerium glaubten nur die wenigsten Leute an diese Gerüchte. Und es war höchst unwahrscheinlich, daß die Meldungen stimmten. Denn woher wollte Napoleon auf dieser abgelegenen kleinen Insel eine Armee auftreiben?
Aber vielleicht hatte es sich bei der „Ashleigh Anne" doch um Patricks Schiff gehandelt. Und wollte er, Brett, die Gattin eigentlich finden? Das war die Frage, die ihn plagte, seit er Allertons Brief erhalten hatte. Verdammt! An sich hätte er mit Ashleigh längst quitt sein müssen! Warum konnte er sie sich nicht aus dem Sinn schlagen? Irgendwo gab es eine Antwort zu dem Rätsel, das sie für ihn war.
Irgendwie wußte er, daß er herausfinden mußte, warum er sie haßte und sich im selben Atemzug nach ihr sehnte. Warum er nicht fähig war, sie in Gedanken eine Teufelin zu nennen, ohne sich gleichzeitig, wenn er ehrlich zu sich war, eingestehen zu müssen, daß sie ein Engel war, der Inbegriff der Frau, die er an seiner Seite haben wollte, die ihm Kinder gebären und mit ihm altern sollte ...
Der Butler klopfte an die Tür des Arbeitszimmers und trat ein, nachdem die Contessa ihn dazu aufgefordert hatte.
„Ja, Enrico?"
„Er ist hier, Contessa", antwortete er. „Ich meine den Gentleman, der Ihnen heute morgen den Brief geschickt hat. Soll ich ihn hereinbitten?"
Sie erstarrte einen Augenblick lang und zwang sich dann, äußerlich gelassen zu wirken. Sie nickte. „Laß mir einige Minuten Zeit, Enrico. Dann führst du den Herrn in den Kleinen Salon. Ich werde dort sein." Sie sah dem sich zurückziehenden Butler nach und stand dann langsam vom Schreibtisch auf. Er war also endlich da, der Moment, von dem sie all die Jahre geträumt hatte. Sie würde den Sohn wiedersehen. Aber die Begegnung würde nicht so sein, wie sie sie sich in den vergangenen Jahren ungezählte Male vorgestellt hatte. Nein, weit davon entfernt!
Zum einen war Maria sicher, daß Brett keine Ahnung hatte, wer sie war, denn das ergab sich aus dem Brief, den er ihr geschrieben hatte.
Verehrte Contessa di Montefiori,
ich habe allen Grund zu der Annahme, daß Sie jemanden zu Gast haben, den ich schon seit einiger Zeit suche. Ich wäre Ihnen für die Erlaubnis dankbar, Sie heute nachmittag aufsuchen zu dürfen, damit ich mit Ihnen über diese Angelegenheit sprechen kann. Falls es Ihnen keine Ungelegenheiten bereitet, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir eine Nachricht auf mein Schiff schicken könnten ...
Natürlich war es nicht so, als hätte Maria nicht mit dieser Situation gerechnet. Sie hatte ja sogar Ashleigh geraten, auf diesen Moment vorbereitet zu sein, falls Brett doch hier auftauchen sollte. Doch das war vor Monaten gewesen, als die Möglichkeit noch in weiter Ferne gelegen hatte. Aber nun war es fast Ende Februar und die erwartete Situation eingetreten. Maria war nicht sicher, ob sie jetzt wirklich auf das Wiedersehen vorbereitet war. Nachdem der mit „Ihr ergebener Brett Westmont, Duke of Ravensford" unterzeichnete Brief morgens durch einen Matrosen von Bretts im Hafen liegenden Schiff überbracht worden war, hatte sie sofort die nötigen Maßnahmen ergriffen, um Ashleigh vor einer Überraschung zu bewahren, und da es ein schöner, warmer Tag war, war es kein Problem gewesen, ihr eine Landpartie mit den Kindern vorzuschlagen. Dann hatte Maria Patrick und Megan alarmiert, die Ashleigh begleitet hatten.
Nun hatte Maria die Möglichkeit, allein dem Sohn gegenüberzutreten, seine Stimmung zu erkunden und seine Beweggründe für den Besuch abzuwägen, ja, sogar seine Absichten zu erforschen, ehe sie darüber befand, ob eine Begegnung zwischen ihm und seiner Gattin überhaupt stattfinden solle. Auf diese Weise würde sie, das gestand sie sich ehrlich ein, auch einige kostbare Augenblicke haben, um den Sohn betrachten und sich über ihre Gefühle klarwerden zu können. Sie schaute auf die Hand, die sie auf den Schreibtisch gestützt hatte, und sah, daß die Finger zitterten. Alle Willenskraft zusammennehmend, verbarg sie die Hand in den Falten des bernsteingelben Rockes und ging zur Tür. Beim Verlassen des Arbeitszimmers und auf dem Weg zum Salon hoffte sie, die nötige Kraft und Klugheit zu haben, um
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