005 - Gekauftes Glück
Liebe?" fragte sie weich.
Nickend drehte Ashleigh sich langsam um und sah die neben ihr im Sessel sitzende Schwiegermutter an. „Du scheinst immer zu wissen, woran ich denke", sagte sie.
Maria lächelte. „In diesem Fall bedurfte es keiner großen Intuition, um zu wissen, was den Wechsel deines Gesichtsausdruckes von der fröhlichen Ausgelassenheit, die du vorhin bei der Beschenkung der Kinder mit den Weihnachtsgaben gezeigt hast, zu der Miene zu erklären, die du jetzt machst. Sag mir, denkst du oft an Brett?"
Ashleighs Lächeln war vor Traurigkeit verkrampft. „Kein Tag vergeht, an dem ich nicht an Brett denke. Oh, versteh mich nicht falsch, Maria. Ihr, die Kinder und mein Leben hier - alles ist wundervoll, und es gibt viele Stunden, in denen ich in das alles versunken bin ... Aber ..."
„Aber dein Herz sehnt sich nach Brett", sagte Maria ruhig. „Das verstehe ich, denn glaub mir, so war es auch bei mir in all den langen Jahren. Er war meinen Gedanken nie fern, ob als Kind, Jüngling oder erwachsener Mann." Maria hielt inne, griff plötzlich in das Dekollete des Morgenmantels und zog ein dünne Goldkette hervor, an der ein Medaillon hing. Es in der Hand haltend, klappte sie den Deckel auf und zeigte Ashleigh die Miniatur eines kleinen Jungen mit kastanienbraunen Locken und lebhaften blaugrünen Augen.
„Oh!" hauchte Ashleigh, die sofort erkannt hatte, wessen Bildnis das war, und sich auch entsann, wo sie das Gegenstück dazu gesehen hatte. „Du hast Brett die Miniatur seines Vaters auf das Kopfkissen gelegt!"
Maria nickte. „Ich kann dir sagen, daß es mich etliche Überwindung und viel Mut gekostet hat. Mein alter Diener Giovanni hat mir geholfen, damals nachts in den Park von Ravensford Hall zu gelangen. Er befand sich unter den Männern, die Gregorio mit mir geschickt hatte, als ich die heimlichen Besuche in Kent machte. Ich bin, als Seemann verkleidet, die efeuberankte Mauer unter dem Fenster meines Sohnes hochgeklettert und habe das Bild seines Vaters dahin gelegt, wo er es finden mußte. Ich weiß, das war verrückt. Ich wollte aber unbedingt, daß er etwas haben sollte ... eine Erinnerung an ... an ... vergangene, glücklichere Tage ..."
Maria seufzte. „Ah, ich denke, für mich war es das schwerste, ihn zu verlieren, ein noch größerer Schmerz als der, den ich empfunden habe, als ich Edward verlor, oder, dann der nach Gregorios Tod. Nach einer Weile nimmt man den Tod eines geliebten Menschen als etwas Gegebenes hin und findet sich damit ab. Aber sich ganz mit dem Verlust eines geliebten Kindes abzufinden ... oder in deinem Fall dem des von dir geliebten Gatten, obwohl man weiß, daß der betreffende Mensch noch lebt ... irgendwo ... und lacht ... und leidet ..." Maria zuckte mit den Schultern und bedachte Ashleigh mit einem Blick, der resignierend sein sollte, doch nur Hilflosigkeit und unendliche Traurigkeit ausdrückte.
Ashleigh nickte nachdenklich und nahm einen Schluck aus der Tasse, die sie zwischen den Händen hielt. „Hast du mittlerweile die Hoffnung aufgegeben, Brett je wiederzusehen?"
„Oh, nein!" Maria lächelte. „Man sollte nie die Hoffnung aufgeben! Weißt du, es geschehen immer noch Zeichen und Wunder! Sieh dir meine Waisenkinder an. Einst waren sie hoffnungslose Fälle, doch nun sind sie hier, nicht wahr? Sie werden geliebt, man kümmert sich um sie, und sie sind ... glücklich, wie ich annehme."
„Oh, wie kannst du daran zweifeln?" rief Ashleigh aus. „Maria, als sie dich fanden, oder, besser gesagt, als du sie gefunden hast, wurden sie die glücklichsten, frohesten Kinder auf Erden!" Sie hielt einen Moment inne und strich geistesabwesend mit der Hand über den Bauch. „Ich kann nur wünschen, daß das kleine Wesen, das ich unter dem Herzen trage, so glücklich wird wie deine Waisenkinder, nachdem ... nachdem sie das Licht der Welt erblickt hat."
„Ah, du bist also sicher, daß es ein Mädchen wird?"
Ashleighs Lächeln war wehmütig. „Ja, ich habe darum gebetet, daß es ein Mädchen wird. Denn würde es ein Junge, dann ..." Mit besorgter Miene schaute sie Maria in die Augen. „Oh, Maria, ich muß dauernd daran denken, daß ein Junge, wenn er größer wird, den Vater braucht. Und dieses winzige Geschöpf wird keinen Vater haben, der bei ihm ist." Als schäme sie sich des Gefühlsausbruches, schlug sie die Augen nieder, starrte in die Tasse und fuhr leise fort: „Ja, ich möchte, daß mein Kind ein Mädchen wird."
Die Gräfin schwieg einen Moment, streckte
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