005 - Gekauftes Glück
Hand an die Brust gedrückt und vor Schmerz brüllend, davongerannt war. Ashleigh hatte es jedoch nicht dabei bewenden lassen, sondern den Vorteil genutzt und die Messerklinge gefährlich nahe an Jakes Gesicht gehoben. Das hatte dem Jungen genügt. Er hatte auf dem Absatz kehrtgemacht und war laut fluchend zu seinen Kameraden gerannt. Ashleigh hatte sich zu dem Jungen mit dem Seil umgedreht, der immer noch die um den Hals des unglücklichen Welpen gelegte Schlinge in der Hand hielt, und war in der Absicht zu ihm gehastet, den Strick durchzuschneiden, ehe er sein schmutziges Werk vollenden konnte.
Der Bengel hatte jedoch offensichtlich geglaubt, sie wolle ihn angreifen, unverzüglich das Seil fallen gelassen und sie fassungslos angesehen. „Zum Teufel!"
hatte er ausgerufen, als die Klinge kurz vor seiner Hand niederging, war furchtsam vor dem wütenden Mädchen und dem Hund zurückgewichen und zu seinen Gefährten gelaufen. „Rennt um euer Leben, Freunde!" hatte er geschrien. „Das blutdürstige Mistweib ist von allen guten Geistern verlassen und gehört ins Irrenhaus!"
Seine Helfershelfer hatten sich inzwischen jedoch bereits aus dem Staub gemacht, und Sekunden später war auch der letzte von ihnen verschwunden gewesen.
Ashleigh hatte den Welpen von den Fesseln befreit und ihm sorgsam den mageren Leib abgetastet, um zu prüfen, ob er verletzt war. Da keine Brüche oder Wunden zu entdecken gewesen waren, hatte sie ihn sacht auf die Arme genommen und beruhigend auf ihn eingeredet, damit er merkte, daß sie es gut mit ihm meinte.
Dann hatte sie ihn, um ihn aufzuwärmen und zu füttern, in die Küche von Madames Haus gebracht.
Dorcas, die Köchin, hatte sie getadelt und gesagt: „Du dummes Mädchen, hast du nicht daran gedacht, daß ein verwundetes und verstörtes Tier dich aus Angst, noch mehr gequält zu werden, hätte anfallen können? Es ist ein Wunder, daß du von dem armen Ding nicht gebissen wurdest!"
Ashleigh hatte jedoch nur gelächelt und daran gedacht, mit welch klugem und seelenvollem Blick sie von Finn angesehen worden war, als sie ihn von den Stricken befreite. Wenn Dankbarkeit und Liebe auf den ersten Blick einen Namen hatten, dann mußte er von dem Moment an, da Ashleigh in der Gasse in die Augen des Hundes gesehen hatte, Finn lauten.
Liebevoll schaute sie den vierbeinigen Freund an und strich ihm zärtlich über den struppigen Kopf. Er hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem verhungerten und verängstigten Welpen, der im Frühjahr von ihr gerettet worden war. Durch die Essensreste gut genährt, die er in Dorcas' Küche bekam, war er kräftig gewachsen, hatte ein glänzendes, gesundes Fell und strahlte robuste Kraft aus.
Ein Geräusch an der Tür lenkte ihre Aufmerksamkeit in die Gegenwart zurück. Sie schaute auf und sah Monica im Nachthemd, einen verärgerten, anklagenden Ausdruck im Gesicht. Im gleichen Moment spürte sie, daß Finn die Nackenhaare aufstellte, und hörte ihn warnend knurren.
„Du hast also dieses widerliche Vieh schon wieder ins Haus gebracht!" zischte Monica. „Du elendes, undankbares Kind! Wie kannst du dich unterstehen, Madames Anweisungen so zu mißachten!"
Ashleigh richtete sich auf, hielt Finn am Halsband fest und schaute die sich ihr nähernde hochgewachsene Blondine an. „Ich ... ich war nicht ungehorsam", stotterte sie. „Finn ist ..."
„Halt den Mund, du kleine Bettlerin!" herrschte die blonde Frau sie an. Dann hielt sie inne, als habe sie den Klang der eigenen Stimme nicht ertragen können, und hob die Hände an die Schläfen. „Oh, jetzt siehst du, was du getan hast! Oh, mein Kopf!"
Ashleigh nutzte die Gelegenheit, ließ das Halsband los und bedeutete Finn mit einer Geste, in die Küche zu verschwinden. Eine Sekunde lang wirkte er, als wolle er ihrem Befehl nicht folgen, doch dann gehorchte er ihr, wenngleich nicht ohne leises, ungehaltenes Knurren, als er an Monica
vorbeiging. „ Warum läßt du mich dir nicht ein Mittel gegen die Kopfschmerzen holen, Monica?" fragte Ashleigh dann rasch. „Von Dorcas weiß ich, daß sie ein Päckchen eines neuen Pulvers erhalten hat, das in kürzester Zeit ein Wunder bewirkt. Sie hat es von ihrem Seemannsfreund bekommen, als er sie in der letzten Woche besuchte." Ashleigh streckte die Hand aus, legte sie tröstend Monica auf den Arm und drängte sie sacht zur Tür.
„Hm, ja, das klingt vielversprechend", sagte die hochgewachsene Frau, sehr beruhigt bei der Aussicht, die hämmernden Kopfschmerzen bald los zu sein.
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