005 - Nachts wenn die Toten kommen
hat. Dennoch bin ich bereit, sie mir anzuhören. Bitte,
sprechen Sie.«
»Ihr Sohn scheint etwas über sein Schicksal geahnt zu haben«, sagte Larry
Brent leise, und er beobachtete die Wirkung seiner Worte genau. »Er fürchtete –
ermordet zu werden, Mrs. Boddingham.«
»Ermordet?« Sie stieß das Wort förmlich zwischen den falschen Zähnen
hervor. Ihre Stimme klang kalt und ablehnend. »Vielleicht war das so eine
Heimtücke von ihm, um die Polizei aufmerksam zu machen, falls ihm wirklich
etwas zustoßen sollte. Vielleicht trifft dies eher für mich zu, Mister Brent.
Vielleicht sollte ich ermordet werden?«
Sie hob die dick nachgezeichneten Augenbrauen und sah Larry mit einem
merkwürdigen Blick an.
»Wie meinen Sie das, Mrs. Boddingham?«
»Mein Sohn wusste um die Veränderung des Testaments, die ich plante. Ich
habe ihm oft genug damit gedroht.«
Larry Brent stellte während des Gespräches hin und wieder eine Frage, die
den spiritistischen Zirkel betraf, von dem Mrs. Boddingham so angetan war.
»Frankie mochte die Vereinigung nicht, das ist richtig. Er hatte sogar
einen Privatdetektiv engagiert, um mich zu überwachen. Vielleicht wollte er
herausfinden, ob mich jemand gegen ihn aufhetzte, doch das war nicht der Fall.
Ich nahm nur Botschaften von meinem ermordeten Mann entgegen und befolgte seine
Ratschläge.«
Mrs. Boddingham stand dicht vor Larry Brent. Ihre Augen glänzten wie im
Fieber, und ihr unsteter Blick wanderte über das Gesicht des PSA-Agenten. »Der
Privatdetektiv, Ihr Mister Hunter, war letzte Nacht Zeuge einer Séance. Er
hatte sich unter die Mitglieder geschmuggelt, er fiel meinen Mann an, den Geist
eines Verstorbenen, Mister Brent!« Sie senkte die Stimme, und es klang
plötzlich geheimnisvoll an Larrys Ohr. »Mister Hunter wollte auch nicht
glauben, doch die Geister der Verstorbenen lassen sich nicht beleidigen. Mister
Hunter stürzte in den Abgrund zu den toten Seelen. Vor meinen Augen, Mister
Brent! Vielleicht ergeht es auch Ihnen einmal so, ich weiß es nicht. Sie sind
sehr neugierig, scheint mir. Sie sind im Auftrag von Mister Hunter hier – im
Auftrag auch meines Sohnes, wenn ich mich nicht irre. Damit bewegen Sie sich
auf den gleichen Pfaden wie Mister Hunter, wie mein Sohn, seien Sie vorsichtig,
Mister Brent!« Ihre Stimme war jetzt nur noch ein Wispern. Larry erwiderte den
Blick dieser großen, seltsamen Augen, und ein Schauer lief über seinen Rücken.
Mrs. Boddingham war nicht ganz bei Verstand. Sie war irr.
Larry blieb noch zehn Minuten, dann verabschiedete er sich.
●
Während der Unterredung war auch einmal kurz die Rede auf Mister und Mrs.
Ritchner gekommen. Mrs. Ritchner war in der vergangenen Nacht ebenfalls bei der
Séance anwesend gewesen.
Larry war ein wenig ratlos.
Immer wieder musste er an seine nächtliche Begegnung im Zimmer des toten
George Hunter denken. Das Skelett, dem er gegenübergestanden hatte, war keine
Projektion, keine Halluzination gewesen! Er hatte es berührt, hatte es gespürt!
Und er musste an die Worte von Mrs. Boddingham denken, die fest an die
Erscheinungen aus dem Jenseits glaubte.
Beide Fakten zusammengenommen ergaben ein Bild, wenn auch kein sehr
deutliches. Doch Larry Brent war klug genug, scheinbar sinnlose Bemerkungen,
die über Mrs. Boddinghams Lippen gekommen waren, nicht einfach beiseite zu
schieben. Er fühlte instinktiv das Geheimnis, das hinter diesen Dingen steckte.
Es war ein gefährliches, ein tödliches Geheimnis.
Er musste mehr Anhaltspunkte haben, er musste den Kreis von vielen Seiten
betrachten, um vielleicht endlich doch noch die Stelle zu finden, die ihm den
entscheidenden Vorstoß ermöglichte.
Larry ging in die nächste Telefonzelle und rief an diesem Tag bereits zum
fünften Mal in der Wohnung der Ritchners an.
Und diesmal hob jemand ab.
»Hier bei Ritchners«, meldete sich eine helle Stimme.
●
Larry Brent sprach mit Jeanne, Mr. Ritchners Sekretärin.
»Ich kann Ihnen darüber keine nähere Auskunft geben, Mister Brent«, musste
Larry auf seine Fragen hören. »Ich bin erst seit einer Viertelstunde im Haus.
Donnerstags komme ich immer erst nach dem Mittagessen, müssen Sie wissen. Nein,
außer mir ist niemand im Haus. Mr. und Mrs. Ritchner scheinen ausgegangen zu
sein, beide Wagen sind weg, die Garagen stehen leer. Nein, eine Nachricht wurde
nicht hinterlassen.«
Die Stimme klang sympathisch, jugendlich, frisch. Larry machte eine
diesbezügliche Bemerkung, und er fragte charmant, ob die
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