005 - Nachts wenn die Toten kommen
...«
Larry wartete zunächst eine Stunde. Während dieser Zeit beobachtete er den
Betrieb im Anwaltsbüro. Er lernte dabei die zweite Vorzimmerdame kennen, die in
dem Büro unmittelbar vor dem Arbeitsraum Ben Hoggans residierte. Sie war noch
hübscher, und Larry fand, dass das Leben des Anwalts in dieser attraktiven
Gesellschaft das reinste Vergnügen sein musste.
Die Telefone gingen ständig. Ben Hoggan war ein gefragter Mann. Sein Ruf
war bekannt und gefürchtet. Er hatte schon die unmöglichsten Fälle zu seinen
Gunsten entschieden.
Nach einer Stunde Wartezeit meinte die erste Vorzimmerdame: »Es tut mir
leid, Mister Brent. Mister Hoggan ist noch immer nicht da. Wenn es jedoch sehr
eilt, dann könnte ich Sie Mister Seers übergeben. Er ist der Assistent von
Mister Hoggan.«
»Ich werde noch ein wenig warten«, sagte Larry zwischen zwei
Zigarettenzügen. »Ich glaube, dass Mister Hoggan mir mehr sagen kann.«
Eine weitere halbe Stunde verging. Larry Brent sah ein, dass es sinnlos
war, weitere Zeit zu vergeuden. Vielleicht war es doch besser, Mister Seers zu
einem Gespräch zu bitten.
Durch eine gepolsterte Seitentür betrat Larry dessen Büro. Seers war nicht
älter als er. Er war groß, schlank und hatte weißblondes Haar und war ein
umgänglicher Mensch. Durch seine gewinnende Art hatte man das Gefühl, dass man
bei diesem Mann – trotz seiner Jugend – sein Herz ausschütten konnte.
Seers war aalglatt und gewandt, auch das erkannte X-RAY-3 sofort. Dieser
Mann kannte sich in den Maschen des Gesetzes aus, und er nutzte diese Kenntnis,
um sie den Menschen zugute kommen zu lassen, die ihn um Rat fragten.
»Na, Mister Brent, was haben wir denn auf dem Herzen?« Seers empfing den
PSA-Agenten wie einen alten Freund.
Larry hielt diese Richtung bei. »Wir stehen beide für das Gesetz gerade,
Mister Seers, wir wollen unseren Klienten helfen. Ich brauche Beweismittel, um
einen Mordfall vor den Richter zu bringen, und ich habe die Hoffnung, dass
Mister Hoggan mir diese Beweismittel geben kann. Leider ist er noch nicht da –
wie weit Sie mir behilflich sein können, ist eine andere Frage. Es ist eine
sehr diffizile Angelegenheit.«
»Dann schießen Sie mal los!«
Seers schenkte jedem einen Drink ein.
»Es geht um das Ritchner-Testament. Ich habe in Erfahrung gebracht, dass
Mister Hoggan die Erbschaftsangelegenheit bearbeitet.«
»Ritchner, der Name ist mir nicht unbekannt, Mister Brent. Aber mir ist
nicht bekannt, dass Mister Ritchner gestorben ist. Hm, ich werde am besten die
Akte anfordern.«
Larry wollte gerade sagen, dass Mister Ritchner nicht tot sei, dass es ganz
allein darum ginge, Näheres über den Modus des Testaments zu erfahren – als die
Stimme der ersten Vorzimmerdame aus dem Lautsprecher der Sprechanlage auf Seers
Tisch klang. »Mister Hoggan ist zurück, Mister Seers. Er wünscht Sie sofort zu
sprechen. Es geht um den Fall German. Sie sollen sofort einen Besuch im
Kommissariat machen.« Seers erhob sich. »Viel Arbeit ist schön – zu viel Arbeit
aber wird zur Plage. Ich fürchte, ich muss Sie warten lassen, Mister Brent. Das
heißt: einen Moment bitte, ich glaube, ich kann doch etwas für Sie tun. Auch
Ihre Angelegenheit ist wichtig, Mister Hoggan wird Verständnis dafür haben,
wenn ich ihm erkläre ...«
Er hatte Verständnis. Kaum dass
Seers gegangen war, bat Mr. Hoggan seinen Besucher persönlich ins Büro.
»Meine Zeit ist knapp bemessen«, erklärte er, nachdem Larry ihm in kurzen
Worten vorgetragen hatte, worum es ging. »Doch sie ist nicht so knapp bemessen,
dass ich mir nicht die Zeit nehmen könnte, Ihnen in einer Mordsache
weiterzuhelfen – vorausgesetzt, dass es eine Mordsache ist.«
»Die Konstellation deckt sich mit vielen Details, wie sie für frühere Fälle
ganz typisch sind. Reiche, fast ausschließlich alleinstehende Leute werden um
ihr Vermögen gebracht, durch einen Trick, dessen Ausmaß und Raffinesse
niemandem von uns bekannt ist. Alles weist darauf hin, dass der geheimnisvolle
spiritistische Zirkel und die Todesfälle, zu denen es bisher kam, irgendwie in
einem sehr engen Zusammenhang stehen.« Larry kam nicht umhin, etwas
ausführlicher zu werden, und Ben Hoggan hörte sich diese Erklärung aufmerksam
an. »Vor drei Jahren wurde Mister Boddingham ermordet, während einer Party«,
fuhr Larry fort. »Ein Jahr davor kam das kinderlose Millionärsehepaar Henry und
Eleonora Waugh ums Leben. Sie hinterließen ein beträchtliches Vermögen. Es heißt,
dass die
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