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005 - Tagebuch des Grauens

005 - Tagebuch des Grauens

Titel: 005 - Tagebuch des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.H. Keller
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versuche sie aufzuwecken, indem ich sie an der Schulter fasse und leicht schüttle, aber sie wird nicht munter. Sie schläft zu tief.
    Ich lege mich neben Suzanne und schließe die Augen. Immer wieder muss ich an die Ereignisse dieses Abends denken. Es dauert mehr als eine Stunde, bis ich schließlich einschlafe.
     

     

Die Nacht, in der ich nun Michel töten werde, ist genauso wie jene Nacht damals. Der Wind heult, und die Kälte ist genauso unbarmherzig.
    Nur Suzanne ist diesmal nicht an meiner Seite.
    Das ist auch besser so. Vielleicht würde sie mir mein Vorhaben ausreden.
    Jetzt taucht das Haus vor mir auf. Die Nacht ist so hell, dass ich die Umrisse des Gebäudes deutlich erkennen kann.
    Michel wird sicher schlafen. Ob er weiß, dass Suzanne sterben muss?
    Natürlich weiß er das. Es ist doch seine Schuld.
    Er weiß, dass Suzanne mit jeder Minute dem Tod näher rückt, und er kann trotzdem ruhig schlafen. Kein Gedanke der Reue stört seine Ruhe.
    Ich kämpfe gegen die Macht des Sturmes an, der mir das Vorwärtskommen erschwert. Er scheint mit Michel im Bund zu stehen.
    Werde ich es auch fertig bringen, Michel zu töten? Dieser Gedanke geht mir nicht aus dem Kopf. Werde ich wirklich dazu imstande sein, Michel zu ermorden?
    Aber wie kann ich daran zweifeln. Ich muss es tun. Das bin ich Suzanne schuldig.
    Du liebe Zeit! Ich tue ja gerade so, als sei sie schon tot.
    Aber ich werde sie rächen. Ich bin ihr Rächer. Das Wort gefällt mir. Es ist genau die richtige Bezeichnung für das, was ich vorhabe. Die Menschen werden den Mord vielleicht nicht als einen Racheakt ansehen, aber für mein Gewissen ist es einer. Mein Gewissen spricht mich frei von Schuld.
    Dennoch ist mir seltsam zumute. Vielleicht nur deshalb, weil ich noch nie eine so gewichtige Entscheidung getroffen habe.
    Ich muss es schnell erledigen. Vor allem darf er keine Gelegenheit haben, mit mir zu sprechen.
    Ob er mich erkennt? Das wäre vielleicht besser. Er soll wissen, dass ich mir über seine Schuld im klaren bin.
    Am besten wäre es, ihn im Schlaf zu überraschen. Ja, am einfachsten wäre es, wenn er aus dem Schlaf sofort in die ewige Nacht des Todes hinüberginge.
    Ich werde in sein Zimmer eindringen und mich ihm vorsichtig nähern. Dann stehe ich an seinem Bett. Meine kräftigen Hände schließen sich um seinen Hals. Meine Hände, die sich schon bei dem Gedanken an dieses Vorhaben zusammenkrümmen, als spürten sie bereits Michels Kehle.
    Ja, ich werde mit aller Kraft zudrücken, bis kein Leben mehr in ihm ist. So wäre es am einfachsten. Aber dann weiß er nicht, was geschehen ist. Dann weiß er nicht, dass ich ihm den Tod gebracht habe.
    Jetzt habe ich die Haustür erreicht. Ich weiß, wie ich hineinkommen kann. Der Schuppen ist nie abgeschlossen. Ich stoße die Tür auf.
    Drinnen herrscht Finsternis. Alles ist still. Vorsicht! Ich darf kein Geräusch machen, sonst wacht er auf.
    Leise und vorsichtig bewege ich mich durch die Dunkelheit. Ich schließe die Tür hinter mir und vergewissere mich, dass sie nicht wieder aufgehen kann. Dann hole ich tief Luft. Ich bin ein wenig außer Atem.
    Völlige Finsternis umgibt mich, aber mir ist das Innere des Schuppens wohl vertraut. Mit ausgestreckten Händen gehe ich leise weiter. Sechs Schritte geradeaus, dann stoße ich auf die kleine Tür, die in den Hausflur führt. Mein Herz schlägt heftig.
    Ich bleibe stehen. Ich muss ruhig sein, ganz ruhig. Erst als ich wieder normal atmen kann, gehe ich weiter. Ich weiß genau, wie ich zu seinem Schlafzimmer komme.
    Zu dem Zimmer, in dem er sterben wird.
    Die ganze Sache wird nicht lange dauern. Ein paar Minuten nur, mehr nicht.
    Wo ist denn die Tür? Sechs Schritte durch den Schuppen, dann müsste die Tür zum Hausflur kommen. Ich habe die sechs Schritte genau gezählt, aber meine Hände finden keine Tür.
    Nur nicht die Nerven verlieren. Ich habe ja Zeit, viel Zeit. Ich darf nicht nervös werden.
    Die Tür muss doch hier sein. Gleich werde ich sie unter meinen Händen spüren.
    Nein. Keine Tür.
    Ich gehe einen Schritt weiter, und noch einen.
    Was soll das bedeuten? Bin ich vielleicht schon an der Tür vorbeigegangen?
    Meine Finger sind gierige Fangarme geworden, die verzweifelt nach einer festen Fläche in der Dunkelheit suchen. Immer wieder greifen sie ins Leere.
    Bin ich vielleicht schon im Hausflur? War die Tür offen, und bin ich, ohne es zu merken, in den Hausflur gelangt? Aber dann müsste ich doch jetzt schon an die Mauer stoßen.
    Nichts. Meine Hände

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