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0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Lider.
    »Da!«, flüsterte er. »Boten reiten in die Wüste! Sie werden Achman berichten, dass sein Palast verwüstet wird. Er wird zurückkehren…«
    »Und das ist die Rettung für das Kreuzfahrerheer?«
    »Wenn es überhaupt noch eine Rettung gibt – ja! Leonardo wird mit seinen Leuten und dem Schatz des Kalifen entkommen. Wir wissen es, Nicole! Er konnte es nicht wissen, er musste damit rechnen, zu verlieren und niedergemacht zu werden. Was er mit seinen paar Mann unternommen hat, war jedenfalls nicht der Verrat, als den es die Chronik deutet.«
    Nicole schauerte leicht.
    »Seltsam«, murmelte sie. »Das Gute und das Böse – wie nah es oft zusammenliegt!«
    »Vielleicht war es wirklich dieser Schatz, der Leonardo am Ende blendete. Oder vielleicht war es der Krieg, dieser barbarische Kampf, das Blutvergießen. Irgendetwas hat den Mann da unten spä- ter zu einem Teufel in Menschengestalt gemacht. Ich möchte mit ihm reden…«
    Nicole sah ihn an. »Ist das Ihr Ernst, Bill?«
    »Ich weiß nicht.« Er zuckte die Achseln. »Wir sind hier. Wir sehen etwas, das kein anderer Mensch unserer Zeit gesehen hat, und wir sehen es so, wie es wirklich war, nicht wie es später aufgeschrieben wurde. Ich möchte es begreifen.«
    »Und was sollen wir tun, Bill? Es geht immer noch um den ›Stern des Morgenlandes‹. Was können wir überhaupt tun?«
    Bill Fleming atmete tief. Sein Blick hing an dem vom Kampflärm erfüllten Palast tief unter ihnen.
    »Warten«, sagte er leise. »Beobachten! Etwas anderes bleibt uns im Augenblick gar nicht übrig…«
    ***
    Avalon…
    Insel der Feen, Heimat Merlins, wo tief in den Grotten des Zauberbergs die Ritter der Tafelrunde beim geisterhaften Festmahl saßen.
    Schimmernd wie Perlen ragten die Felsen aus dem grauen, windgepeitschten Meer. Über der Insel verwandelte ein unirdisches Leuchten den glutroten Himmel in Gold, und leiser, fast unhörbarer Gesang von feinen Stimmen schien herüberzuklingen. Immer noch heulten die Windsbräute, blähte fauchend der Sturm das weiße Lateinersegel. Höher gingen die Wogen, wie weiße Arme schlugen die Gischtkämme nach dem kleinen Boot. Es ächzte, tanzte gleich einer Nussschale vor dem Wind. Weiß zuckten Blitze über den Himmel, der Donner übertönte die rauen Vogelschreie, und für einen Moment hatte Zamorra das Gefühl, als seien alle Elemente aufgestanden, um das leichte Fahrzeug zu zerschmettern.
    Alban de Bayard stand aufrecht am Mast. Der weiße Kreuzfahrermantel flatterte.
    »Schau!«, rief er.
    Sein Arm wies hinüber zu der Insel im Dunst – und da sah auch Zamorra die große Gestalt, die hoch oben auf einem der perlmuttglänzenden Felsen stand und um deren Schultern sich ein Mantel aus buntem, glänzendem Gefieder bauschte.
    Merlin!
    Merlin, der Zauberer! Von Satan selbst mit einer reinen Jungfrau gezeugt, ein Herrscher in jenem Zwischenreich, den letzten Gralshütern verschworen und Herr auch über das Erbe des Bösen in seiner eigenen Seele. Er war es! Zamorra wusste es, spürte es förmlich, ohne dass seine Begleiter es ihm hätten sagen müssen. Gebannt hing sein Blick an der hohen Gestalt, an dem langen, grauen Bart, dem schlohweißen Haar, das im Wind flatterte. Merlin selbst war aus der Tiefe seines Berges emporgestiegen. Hoch schwang er den Stab in seiner Hand, als wolle er den Wogen gebieten, und seine Stimme hallte laut über das graue, windgepeitschte Meer.
    »Haltet ein, ihr Dämonen der Lüfte! Schweigen gebiete ich euch, ihr Wächter Avalons, ihr Unholde der Tiefe! Zu früh ging ich zur Ruhe. Einmal noch erhebe ich meine Stimme, einmal noch gebiete ich meinem Heer, auf dass kein Unheil geschehe durch jenes Kleinod, das ich mit eigener Hand aus geweihtem Silber schmiedete, um dem Bösen zu wehren. Frieden wird sein auf Avalon! Kein Wesen wird sich erheben gegen die Fremden, die in guter Absicht kamen. Der sprechenden Quelle gebiete ich, ihnen Antwort zu geben, und wenn sie das heilige Wasser trinken, wird Merlins Zauber sie sicher an ihr Ziel geleiten. Seid willkommen, ihr Fremden aus fremder Zeit! Merlin ist mit euch…«
    Wie der Widerhall fernen Donners verklang die Stimme. Und mit der Stimme schien auch der Sturm zu ersterben, glätteten sich die Wogen, stoben die schwarzen Vögel davon, die wie große Schatten unter dem roten Himmel gekreist hatten. Sanfter Wind trieb das Boot auf den Strand zu, eine Woge hob es sicher auf den weißen Sand. Nichts wies mehr auf irgendeine Gefahr hin – und Zamorra glaubte fast

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