0050 - Der Stein des Satans
silbernen Schleier – ein Land, das er nicht kannte. Weit dehnten sich die Ausläufer der Wüste ringsum, rot glomm jenseits einer Hügelkette der Widerschein von Feuer, und irgendwo in der Nähe klirrten Waffen und bewegten sich unruhige Schatten in einem Felsengewirr.
Zamorra wandte den Kopf.
Alban de Bayard stand neben ihm, den Kreuzfahrermantel über den Schultern. Der Griff des Schwertes schimmerte an seiner Hüfte, in dem dunklen, gewellten Haar funkelte der Goldreif. Ruhig blickte der Ritter in die Runde – und Zamorra begriff, dass sie sich an irgendeinem magischen Punkt befinden mussten, der noch dem Dämonenreich angehörte, weil er Albans Gestalt sonst nicht hätte sehen können.
Ein Plateau war es, wie ihm ein Blick zeigte.
Eine Pyramide am Rand der Wüste, aus mächtigen, hell schimmernden Steinquadern zusammengefügt. Ein kaum sichtbarer opalisierender Schimmer umgab wie eine Aura den Platz. Zamorra sah die sich überschneidenden Linien zu seinen Füßen, und er wusste dass auch dies eines der Tore in der Schranke der Zeit war, die den wenigen Eingeweihten den Eintritt in eine andere Welt ermöglichten.
»Hier muss ich dich verlassen, Zamorra«, sagte Alban neben ihm ruhig. »Mein Geist kann seine Dimension nicht verlassen. Zurückkehren in die Welt können Wesen meiner Art nur, wenn sie sich mit dem Teufel verbünden. Deine Freunde sind hier, ganz in der Nähe – ich spüre den Hauch aus einer fremden Zeit. Ich spüre auch Leonardos unseligen Geist, doch nicht er ist es, der sie bedroht. Hörst du die Waffen klirren? Siehst du die Schatten der Krieger, die ihre Opfer suchen? Hier, nimm das Schwert – möge es dich schützen, wie es mich schützt! Deine menschlichen Gegner wird es bannen, sobald du sie damit berührst. Aber ich weiß nicht, ob es dir gehorchen wird gegen Merlins Amulett in der Hand eines bösen Dämons.«
»Du glaubst, der Dämon hat von Leonardo de Montagnes Körper Besitz ergriffen?«
»Ich glaube es. Er wird seinem anderen Ich beistehen, damit der Fluch nicht gelöst wird, dem er sein unheiliges Leben verdankt. Versuche dein Glück, Meister des Übersinnlichen! Ich werde dich hier erwarten – und dort unten in der Dunkelheit erwartet dich Nachtwind, der Rappe Merlins…«
Zamorra neigte den Kopf.
Aus Albans Hand nahm er die Scheide mit dem Schwert entgegen, deren Gurt er um seine Hüfte schlang. Sein Blick glitt zu den Hügeln hinüber, zu den aufgetürmten Felsen, zwischen denen waffenklirrende Gestalten nach Bill und Nicole suchten. Rasch stieg er die Stufen der Pyramide hinab, und erst an ihrem Fuß sah er noch einmal über die Schulter.
Er konnte das Plateau erkennen, die Steinquader, die hoch aufgerichtete Gestalt.
Aber das Bild war seltsam unwirklich, durchscheinend, wirkte wie eine blasse Projektion im Mondlicht – und Zamorra wusste, dass es genauso wenig real war wie die Vision der strahlenden, wehrhaften Adlerburg, durch deren Tore er jene andere Welt betreten hatte.
Ein leises Schnauben ließ ihn den Kopf wenden.
Sekundenlang kniff er die Augen zusammen – dann sah er das große, nachtschwarze Pferd, das dicht neben ihm aufgetaucht war wie aus dem Boden gewachsen und unruhig den Sand scharrte. Der Rappe Merlins? Ein Geisterpferd? Es trug keinen Sattel und kein Zaumzeug, die Hufe glitzerten wie Silber im Mondlicht. Mit einem hellen Wiehern warf das Tier den Kopf hoch, dann neigte es ihn, erstarrte förmlich – und Zamorra trat zögernd näher und griff in die dichte Mähne.
Sekunden später saß er sicher auf dem Rücken des riesigen Rappen.
Schnell und lautlos jagte das Tier dahin – als berührten die silbernen Hufe nicht den Boden. Wind peitschte Zamorras Gesicht, irgendwo vor ihm schrien jetzt triumphierende Stimmen durcheinander. Zamorra begriff, dass ihn das unheimliche Pferde ganz von selbst in die Richtung trug, in die er wollte – und als das Tier wenig später am Fuß des Hügels verharrte, konnte er zwischen den Felsen ein halbes Dutzend schattenhafter Gestalten sehen.
Dunkelhäutige Krieger in bunt geschmückten Helmen, mit Krummsäbeln und Lanzen bewaffnet. Ihre Pferde hatten sie irgendwo zurückgelassen, Beinschienen und bunte, fremdartige Schilde klirrten. Zwischen sich, von Lanzenspitzen bedroht, trieben sie zwei Menschen über den Hang – und Zamorra brauchte nur einen einzigen Blick, um Bill und Nicole zu erkennen.
Die beiden sahen ihn fast in der gleichen Sekunde.
»Zamorra!« Nicoles verzweifelter Aufschrei gellte ihm
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