Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
knurrte Bill Fleming sarkastisch. »Sollen wir die Geschichtsbücher bereichern und den Herren eine Schlacht liefern?«
    »Es würde eine kurze Schlacht werden.« Zamorra drückte beruhigend Nicoles Arm, und seine Gedanken arbeiteten fieberhaft. »Verdammt, wenn wenigstens einer von ihnen unsere Sprache sprechen würde oder…«
    Wie auf ein Stichwort hin löste sich ein einzelner Reiter aus der Reihe.
    Er war noch prächtiger, noch farbenfroher gekleidet als die anderen Krieger. Schimmernde Schärpen, ein Mantel in düsterem Scharlachrot, ein fremdartiges Emblem auf dem riesigen Schild – das alles machte klar, dass er zu den Heerführern gehörte. Fünf, sechs Schritte trieb er das Pferd vorwärts, dann griff er wieder in die Zügel.
    Dunkle, scharfe Augen starrten Zamorra an, und die Stimme, heiser vom Wüstensand, hallte laut durch die nächtliche Stille.
    »Wer seid ihr, Fremdlinge? Zu den Christen gehört ihr nicht und nicht zu den unseren! Woher kommt ihr? Was sucht ihr in diesem Land?«
    »Das kapierst du sowieso nicht, Sonny«, murmelte Bill fast unhörbar.
    Nicole hielt den Atem an. Ihre Finger krallten sich in Zamorras Arm. Er spürte die Spannung, die kaum gezügelte Angriffslust der Männer ringsum – und er tat das einzige, was ihm in dieser Situation überhaupt noch übrig blieb.
    »Gäste aus einem fremden Land sind wir, und wollen zu Achman, eurem Herrn!«, rief er in der gleichen altertümlich gewundenen Sprechweise. »Als Freunde kamen wir, um dem großen Achman unsere Hilfe anzubieten. Geraubt wurde ihm der ›Stern des Morgenlandes‹. Lasst uns ziehen, denn unser Ziel ist es, Achmans Feinden den Stein zu entreißen…«
    »Ihr wollt für uns kämpfen? Wer schickt euch? Welchem Herrn dient ihr, wer ist euer König?«
    Wahnsinn, flüsterte eine Stimme in ihm – aber da er es einmal begonnen hatte, musste er das gefährliche Spiel auch zu Ende führen.
    »Merlin ist es«, donnerte er. »Merlin, der Herr aller Zauberer und Magier, den euer Volk unter anderem Namen kennt. Ein Magier bin auch ich! Niemand von euch kann im Zweikampf gegen mich bestehen, und auch der Frevler Leonardo wird es nicht können…«
    Er stockte abrupt.
    »Mann!«, flüsterte Bill hinter ihm andächtig. »Du hättest im Mittelalter leben sollen…«
    Aber Zamorra spürte zu genau, auf welch Schwindel erregend schmalem Grat er balancierte, er hatte nicht den geringsten Sinn für schwarzen Humor, und er wartete gespannt bis in die Fingerspitzen auf die Reaktion seines Gegenübers.
    Eine volle Minute verstrich – dann hatte sich der Heerführer der Araber zu einem Entschluss durchgerungen.
    »Folgt uns!«, rief er mit einer ausholenden Handbewegung. »Kalif Achman soll über euch entscheiden. An euch selbst wird es liegen, ob wir euch das Geleit geben oder euch in Fesseln vor den Thron unseres Herrn schleifen…«
    Er nahm seinen Schimmel herum. Ruhig ritt er an, in die Richtung, aus der er gekommen war, die Männer, die ihm am nächsten gestanden hatten, wichen schweigend auseinander. Eine Gasse bildete sich – und Zamorra gab sich keinem Zweifel darüber hin, dass sich diese Gasse blitzschnell in eine tödlich zupackende Schere verwandeln würde, wenn die Dinge anders liefen, als die arabischen Krieger sich das vorstellten.
    Eine halbe Stunde später hatten sie den Palast erreicht.
    Der Brand war gelöscht worden, nur noch ein leichter Geruch nach Rauch hing in der Luft. Fackeln flackerten und ließen Kuppeln und Dächer wie Gold aufleuchten. Vor dem großen Tor kam der schweigende, unheimliche Zug zum Stehen. Der Heerführer saß ab, machte ein herrisches Zeichen – und Zamorra, Nicole und Bill blieb nichts übrig, als ebenfalls vom Pferd zu steigen.
    Unter anderen Umständen hätten sie der düsteren Pracht dieses Palastes, der strengen Schönheit der Bauwerke, der verschwenderischen Fülle aller möglicher Reichtümer sicher größere Aufmerksamkeit gewidmet – jetzt erschien das alles zweitrangig. Selbst Bill Flemings kulturhistorisches Interesse hielt sich in Grenzen. Das Gefühl des Traumhaften, Unwirklichen hatte stärker als zuvor von ihm Besitz ergriffen. Nicole ging es genauso. Auch sie hatte Angst, auch sie wünschte sich verzweifelt, endlich aus diesem Albtraum zu erwachen. Aber es war eine merkwürdig irreale Angst, eine Angst nicht vor den hasserfüllten Gesichtern ringsum, sondern vor den unheimlichen Mächten, die dies alles in Gang gesetzt hatten – und deshalb zuckte sie auch kaum zusammen, als sie

Weitere Kostenlose Bücher