Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
trugen? – Und Alban? Besitzt er ein Schwert? Das Schwert des Feuers?«
    Zamorra nickte ruhig. »Hier ist es. Wirst du uns helfen, den Dä- mon zu besiegen, Leonardo?«
    »Damit – jener Fremde von mir weicht? Und was wird dann mit mir geschehen? Mit dem Dämon?«
    »Du wirst wieder, was du immer warst, Leonardo. Der Dämon stirbt. Er kehrt in deinen Körper zurück, als Teil deiner Seele, aber er wird nicht Herr über dich. Du kannst ihm gebieten, du kannst ihn beherrschen. Wenn du es willst! Und wenn du nicht der Versuchung erliegst, die Macht des Amuletts zum Bösen zu mißbrauchen…«
    »Und – was muß ich tun?«
    »Ich weiß es nicht, Leonardo. Nur einer kann uns vielleicht die Antwort geben. Alban de Bayard…« Für einen Moment blieb es still. Leonardos Lippen preßten sich hart aufeinander, in seinem bleichen Gesicht brannten die Augen. Zamorra spürte, wie es in ihm arbeitete, wie er mit sich kämpfte. Noch vor Tagen war er einer von unzähligen gläubigen Kreuzfahrern gewesen, sicher seiner selbst und sicher seiner Ziele, und das Amulett hatte ihm wenig bedeutet.
    Jetzt war das Übersinnliche in sein Leben eingebrochen wie eine Flut, die die Deiche überspült, jetzt spürte er die Macht des Bösen über sich wie eine dunkle, drohende Wolke. Die Hölle selbst hatte ihr grausames Spiel mit ihm getrieben. Er wußte um den Fluch über seiner Zukunft; er hatte geglaubt, auf festem Grund zu stehen, und fand sich nun auf einem schmalen Grat wieder, neben dem Abgründe lauerten. Sein Blick spiegelte Furcht, Verwirrung – aber auch einen verzweifelten Mut, der entschlossen war, die Herausforderung des Schicksals anzunehmen.
    »Rufe ihn«, sagte er heiser. »Rufe Alban des Bayard und versuche, ihn zu befreien…«
    ***
    Unruhig geisterte der Schein des dreiarmigen Leuchters über die Wände.
    Im zuckenden Kerzenlicht wirkten die Porträts der Ahnengalerie eigentümlich lebendig. Simone Aubry war es, die den Leuchter trug – ein neunzehnjähriges Mädchen, das ahnungslos in eine teuflische Falle gegangen war. Ihre Bewegungen wirkten steif und mechanisch wie die einer Marionette, ihr Gesicht war bleich, und der eigentümlich leere Blick hing an dem Mann, der vor ihr durch die Flure von Château Montagne ging. Der Dämon hatte Gestalt angenommen – aber seine Füße berührten den Boden nicht, sein Körper hatte nicht mehr Substanz als die Farbe auf dem Bildnis, dem er entstiegen war.
    Nur die Kraft seines bösen Geistes wirkte. Frei konnte er zwischen den Dimensionen schweifen, konnte Menschen unter seinen Bann zwingen und sich ihren Willen Untertan machen – doch um in der realen Welt real zu handeln, brauchte er Körper, die seinen Geist aufnahmen.
    Simone ahnte nicht, daß sie dazu ausersehen war, diesem Zweck zu dienen.
    Ihr Bewußtsein schlief, eine tiefe Trance umfing sie. Willenlos blieb sie stehen, als auch der Dämon stehenblieb, und ihr Blick folgte dem seinen, der mit einem höhnischen Glitzern über die goldgerahmten Gemälde glitt.
    »Da sind sie ja alle versammelt«, zischte er mit bösem Spott. »Meine Familie – lange habe ich nichts mehr von den feinen Herrschaften gesehen. Fromme Narren!« Er kicherte heiser, seine Lippen verzerrten sich. »Ein Haufen Verrückter, die den Priestern nachrannten, weil sie sich einbildeten, ein Fluch laste auf ihrem Geschlecht. – Da ist ja auch mein Sohn! Chlodwig, der Weichling mit dem Tugendgesicht! Oder nein, nicht mein Sohn – was habe ich mit Leonardo zu schaffen! Dem Teufel verschrieb er sich, dieser größte Narr von allen! Seine Seele verkaufte er – und nicht einmal um den Preis von Macht und ewiger Freiheit, sondern damit Satanas die schöne Yamina von einer tödlichen Krankheit heile. Von ihr gibt es kein Bild, scheint mir! Eine Ungläubige war sie, eine Fremde. Die fromme Sippe hat sie getilgt aus ihrer Erinnerung…«
    Mit einem häßlichen Auflachen wandte der Dämon sich ab. Sein Blick traf das Mädchen, das seinen Worten gelauscht hatte wie einem geheimnisvollen Lied in fremder, unverständlicher Sprache.
    Gebannt stand Simone da, völlig jenem anderen Willen unterworfen – und sie vermochte sich auch nicht zu rühren, als der Unheimliche jetzt langsam auf sie zutrat.
    »Sieh dich um!« krächzte er. »Dies ist mein Haus! Château Montagne wird wieder mir gehören. Und du wirst mir helfen, du wirst mir deinen Körper geben…«
    Er streckte die Hand aus.
    Seine Finger berührten Simones Schulter – eine seltsam körperlose Berührung.

Weitere Kostenlose Bücher