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0052 - Der doppelte Dämon

0052 - Der doppelte Dämon

Titel: 0052 - Der doppelte Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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gesehen hatte, und ich stellte fest, daß sie in Wirklichkeit viel hübscher war.
    Ich bat sie, mir von jenem schicksalsträchtigen Abend zu erzählen. Sie holte etwas weiter aus und sprach zunächst über die Umstände, die sie dazu gebracht hatte, für den Zuhälter Sal Banacek zu arbeiten.
    Ich hörte geduldig zu, unterbrach sie nicht. Sie redete davon, daß Sal Banacek in die Bar gekommen sei, um sich sein Geld zu holen. Sie erzählte, daß der Zuhälter sie geschlagen habe, weil sie ihm nicht genug Geld gegeben hatte.
    Und dann war Sardo über den Zuhälter hergefallen.
    Natalie George schilderte die Dämonenattacke in allen schrecklichen Einzelheiten. Sie regte sich dabei so sehr auf, daß sie feuchte Augen bekam.
    Aber sie sprach tapfer weiter.
    Mit heiserer Stimme sagte sie: »Mehr als einmal wünschte ich mir, Sal möge tot umfallen. Aber ein so grauenvolles Ende hat er nicht verdient.« Sie nippte an ihrer Bloody Mary. »Ich kann das alles immer noch nicht fassen. Mir kommt es immer noch so vor, als hätte ich einen furchtbaren Traum geträumt. Nichts war zu sehen gewesen. Eine unsichtbare Kraft hat Sal Banacek getötet. Für mich wird es ewig ein Rätsel bleiben, wie so etwas möglich ist.«
    »Das Böse hat vielerlei Gesichter«, erklärte ich dem hübschen Mädchen. »Es tritt in vielerlei Gestalt in Erscheinung. Manchmal verzichtet es aber auch darauf, dann agiert es unsichtbar…«
    Natalie blickte mich verwundert an. »Sie haben die Absicht, dem Dämon das Handwerk zu legen? Wie wollen Sie das denn schaffen? Wenn Sie erlebt hätten, was ich erlebt habe, würden Sie einsehen, daß Sie gegen dieses mörderische Wesen keine Chance haben.«
    »Ich werde trotzdem nichts unversucht lassen, um Sardo zur Hölle zu schicken!« sagte ich bestimmt.
    »Entweder haben Sie sehr viel Mut, Mr. Sinclair, oder Sie wissen nicht, worauf Sie sich da einlassen.«
    »Ich weiß, was ich tue. Ich habe Erfahrung im Kampf gegen Dämonen. Bestimmt nehme ich Sardo nicht auf die leichte Schulter. Aber überlegen Sie einmal, Miß George, wenn niemand versucht, sich dem Dämon entgegenzustellen, wird er immer dreister, und schon bald liegt in dieser Stadt kein Stein mehr auf dem anderen.«
    »Was nützt es, sich ihm entgegenzustellen? Er überrollt doch jeden wie ein riesiger Panzer.«
    »Haben Sie irgendeine Wahrnehmung gemacht, die mir weiterhelfen könnte, Miß George?«
    »Nennen Sie mich Natalie«, sagte das Mädchen. Sie seufzte. »Ich wollte, ich könnte Ihnen helfen, John. Aber ich habe alles gesagt.«
    Ich trank meine Bloody Mary aus und erhob mich. Natalie schaute mich wehmütig an, als müsse sie von mir für immer Abschied nehmen, als wüßte sie, daß ich dieses Abenteuer nicht überleben würde.
    Sie begleitete mich zur Tür. »Ich mag Sie, John«, sagte sie. Dabei senkte sie den Blick, als würde sie sich schämen. »Deshalb bitte ich Sie: Seien Sie vorsichtig. Wagen Sie nicht zuviel. Es wäre schade um Sie.«
    Ich lächelte. »Ich habe gelernt, auf mich aufzupassen. Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Und im übrigen: Ich mag sie auch, Natalie. Deshalb rate ich Ihnen, den Job, den Sie unter Sal Banaceks Zwang ausüben mußten, an den Nagel zu hängen und sich etwas Seriöses zu suchen.«
    »Ist schon geschehen. Ich konnte in einer Wäscherei unterkommen. Als Mädchen für alles. Das heißt: für fast alles.«
    Ich trat aus der Wohnung.
    »Ich würde mich freuen, wenn Sie wiederkämen, John.«
    »Mal sehen«, gab ich zurück, »vielleicht läßt es sich einrichten.«
    »Dann zeige ich Ihnen Melbourne…«
    Ich nickte und ging. Was würde von Melbourne übrigbleiben, wenn es mir nicht gelang, Sardo zur Strecke zu bringen? Mich überlief es kalt, als ich an die Gefahren dachte, die der Stadt im Augenblick drohten.
    ***
    Noah Nantwick stand in seiner Atelierwohnung vor der Staffelei und pinselte konzentriert und mit ruhiger Hand ein farbenfrohes, plastisches Stilleben auf die grobe Leinwand.
    Ab und zu schweiften seine Gedanken ab. Dann hielt er im Malen inne. Wie eben. Reglos stand er da. In der Rechten den Pinsel, in der Linken die Farbpalette.
    Er trug einen weißen Kittel, der mit vielen Farben betupft war. Starr waren seine Augen auf einen imaginären Punkt geheftet.
    Er dachte an Nico, und er ärgerte sich sofort wieder über seinen Bruder. Die Versöhnung war nur von kurzer Dauer gewesen.
    Doch Noah Nantwick fand nicht, daß das seine Schuld war. Nico hatte sich unmöglich benommen. Er, Noah, war der Ansicht,

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