0052 - Der doppelte Dämon
daß er es nicht nötig hatte, den Launen seines Bruders als Spielball zu dienen.
Noah riß sich von seinen Gedanken los. Er schüttelte unwillig den Kopf.
Es war vernünftiger, keinen weiteren Gedanken mehr an Nico zu verschwenden. Auch ärgern wollte sich Noah Nantwick nicht mehr über seinen Bruder. Er wollte ihn vergessen.
Es war das beste, Nico aus dem Gedächtnis zu streichen, als würde es ihn nicht geben. Noah nahm sich vor, Nicos Farm nie wieder zu betreten.
Er war sicher, daß es ihm nicht schwerfallen würde, der Farm fernzubleiben. Energisch stieß der Maler den Pinsel in die leuchtende Ockerfarbe.
Er konzentrierte sich wieder auf das Gemälde. Als er den Pinsel ansetzen wollte, klopfte es.
Noah Nantwick legte Pinsel und Palette beiseite. Er wischte seine Hände am Kittel ab und begab sich zur Tür.
Ein vierschrötiger Mann stand auf dem Schuhabstreifer. Ein Mann mit stechenden Augen und düsterer Miene. Sein Haar war schwarz. Die Brauen wucherten wild. Die Stirn wies zahlreiche Runzeln auf.
Noah kannte ihn.
Das war Addison Grizzard, einer der bedeutendsten Wissenschaftler Australiens auf dem Gebiet der Parapsychologie.
Grizzards Arbeiten fanden in der Fachwelt ein großes Echo und sehr viel Anerkennung. Noah Nantwick hatte den ungewöhnlichen Mann auf einer Ausstellung kennengelernt.
Addison Grizzard mochte die Art, wie Noah malte. Mittlerweile hingen vier Gemälde von Nantwick in seinem Haus.
»Ich sehe, ich störe Sie bei der Arbeit, Mr. Nantwick«, sagte der Parapsychologe mit seiner hohlen Stimme. »Das tut mir leid.«
»Ich bitte Sie, das macht doch nichts«, sagte Noah lächelnd. »Ich hatte ohnedies keine allzu große Lust mehr. Ihr Besuch ist mir sehr willkommen. Jetzt habe ich wenigstens eine Rechtfertigung vor mir selbst, die Arbeit zu beenden.«
Der Maler ließ Grizzard herein.
Der Parapsychologe begab sich zur Staffelei und betrachtete das fast fertige Gemälde. »Sie sind ein begnadeter Künstler, Mr. Nantwick.«
»Ich danke Ihnen. Setzen Sie sich doch. Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
Addison Grizzard lehnte höflich, aber bestimmt ab. Er setzte sich auf die Couch, die unter der schrägen Fensterfront stand.
»Was führt Sie zu mir?« erkundigte sich Noah.
Grizzards Miene wurde noch düsterer. Er räusperte sich und betrachtete seine Hände.
»Ich nehme an, Sie haben von den schrecklichen Vorfällen gehört, die sich in der jüngsten Vergangenheit ereigneten.«
»Befassen Sie sich damit? Stimmt es, daß dafür die Macht des Bösen verantwortlich zu machen ist?«
»Alle diese Taten gehen auf das Konto eines Dämons namens Sardo«, sagte Addison Grizzard ernst. »Er ist ein grausames Scheusal. Er ist gemein und blutrünstig. Sein Bestreben geht dahin, sich mit jeder neuen Tat selbst zu übertreffen. Sie können sich vorstellen, wohin das führt…«
Noah Nantwick setzte sich dem Parapsychologen gegenüber. Er faltete die Hände und klemmte sie zwischen die Knie.
»Sie erwarten noch furchtbarere Taten?«
Grizzard nickte. Seine wild wuchernden Brauen zogen sich zusammen. »Ich befasse mich seit vielen Jahren mit Dämonologie. Was diese Wesen aus den Dimensionen des Grauens anzustellen vermögen, übersteigt unser aller Fassungsvermögen, Mr. Nantwick. Wir dürfen Sardo nicht weiter gewähren lassen. Canberra, Sydney, Newcastle… keine Stadt wird sonst vor ihm mehr sicher sein.«
Noah leckte sich nervös die Lippen. »Die Gefahr, die Sie da schildern, ist ja schrecklich.«
»Glauben Sie mir, Mr. Nantwick, ich weiß, wovon ich spreche. Je mehr Erfolg Sardo hat, desto mehr wird er sich selbst zu neuen Taten anstacheln.«
Noah Nantwick fragte sich, weshalb der Parapsychologe ausgerechnet mit ihm darüber sprach. Wollte ihm Addison Grizzard Angst machen?
»Gibt es denn keine Möglichkeit, dem Dämon Einhalt zu gebieten?« fragte Noah mit belegter Stimme.
»Sardo hat dieses Land vor vielen Jahren schon mal heimgesucht«, erwiderte Addison Grizzard, ohne direkt auf die Frage des Malers einzugehen.
»Hat er’s damals auch so wüst getrieben?«
»Was er getan hatte, war schlimm genug gewesen.«
»Wieso verschwand er wieder in der Versenkung?« wollte Noah Nantwick wissen.
»Sieben beherzte Mönche trieben ihn in eine Höhle, rollten einen gewaltigen Felsbrocken davor und schwächten ihn mit ihren Gebeten. Sie glaubten, er wäre daran zugrunde gegangen, aber er überdauerte die Zeiten im Tiefschlaf.«
»Wer hat ihn aufgeweckt?«
»Niemand weiß das«, sagte Addison
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