0052 - Der falsche Inspekteur
trat vom Fenster zurück.
Die Flasche, so wußte er, würde den Sturz in die Tiefe nicht überleben. Mit den Trümmern würde niemand etwas anfangen können, ganz abgesehen davon, daß keinerlei Beschriftung auf dem Glas seine Herkunft verriet.
„Diese leichtsinnigen Weiber!" zwitscherte Gucky mißbilligend. Mit Behagen schnupperte er dann an seinem Brustfell und verdrehte entzückt die Augen. „Kein Zweifel, das ist Laurys Lieblingsparfüm. Wie nett von ihr, mir den kleinen Gruß zurückzulassen. Hier also haben sie gehaust."
Dann machte er sich daran, das Zimmer genau zu durchsuchen.
Erst deutlicher werdende Gedankenimpulse schreckten ihn hoch. Jemand kam die Treppe hinauf, schlich den Gang entlang und machte vor der Tür halt. Marshall...?
Nein, es war nicht Marshall. Aber es war ein Frogh. Gucky erkannte die Identität des Wesens draußen früh genug, um sich mit einem Satz in Sicherheit bringen zu können. Die geöffnete Schranktür verbarg ihn vor den Blicken des Monsters, das sich nun langsam in die Mansarde schob und mit listigen Augen um sich blickte.
Gucky sah vorsichtig um die Ecke und schauderte. Nein, wie konnte die gütige Natur nur ein solches Untier erschaffen? Dagegen waren ja die häßlichen Dackelschweine von der Venus liebliche Geschöpfe!
Nun gab es genug ungewöhnliche Lebensformen im Universum, aber bei den Frogh kam noch hinzu, daß sie, gelinde ausgedrückt, einen unfreundlichen Charakter besaßen. Das machte sie ganz besonders unsympathisch.
Gucky mochte unsympathische Zeitgenossen nicht. Um ihnen das sehr handgreiflich zu beweisen, vergaß er oft alle notwendige Vorsicht.
Er wartete, bis der Frogh die Tür geschlossen hatte, dann kam er hinter dem Schrank hervor und fragte höflich: „Suchen Sie etwas?" Der Frogh fuhr herum und hätte dabei fast das Gleichgewicht verloren. Mit unnatürlich weit geöffneten Augen und gespreizten Klauen starrte er die unerwartete Erscheinung an, als sähe er ein Gespenst. Anscheinend wußte er mit dem Mausbiber nichts anzufangen, obwohl er als Wärter des galaktischen Zoos doch genug mit fremden Halbintelligenzen zu tun hatte.
„Was ... wer...?" stammelte er in seiner Sprache, die Gucky dank der Telepathie gut verstand.
„Was Sie hier suchen, frage ich", wiederholte Gucky und benutzte das allgemein verständliche Arkonidisch. „Dies ist meine Wohnung." Der Frogh schien sich zu fassen. „Staatsauftrag", gab er bekannt.
„Hat hier in diesem Raum kürzlich ein Springer gewohnt?"
„Wie kommen Sie darauf? Wer sind Sie überhaupt?" Der Insektenwurm machte ein so erstauntes Gesicht, daß Gucky laut auflachte. Aber gerade das schien den humorlosen Gesellen ganz besonders zu erzürnen. Mit einem widerlichen Zischen fuhr er auf den Mausbiber zu und streckte die Greifarme aus, als wolle er ihn erwürgen.
„Ich bin ein Frogh, du Ungeziefer! Und wenn ich mich nicht irre, paßt du besser in den Zoo als in die Freiheit. Ich werde dich mitnehmen."
„Geh mir drei Schritt vom Leib!" warnte Gucky und wich einen Meter zurück, um mit der unangenehmen Masse nicht in Berührung zu kommen. „Und was den Zoo angeht, so stehst du vor einer Enttäuschung.
Wir haben zwar keine Brüderschaft getrunken, aber gut, bleiben wir beim vertraulichen du. Noch etwas: antworte gefälligst auf meine Fragen, du wandelnder Schornstein."
Der Frogh schien mehr Ehrerbietung und Furcht gewohnt zu sein. Es mußte für ihn unfaßbar sein, daß sich ihm gegenüber jemand so benahm. Mühsam schnappte er nach Luft.
„Das sollst du büßen, Ungeziefer!" Das schien sein liebstes Schimpfwort zu sein. „Noch heute wirst du der Zooverwaltung vorgeführt. Weißt du, was danach geschieht?"
„Interessiert mich herzlich wenig", eröffnete ihm Gucky ungerührt. „Und wenn du jetzt nicht meine Fragen beantwortest, werfe ich dich gegen die Wand und dann aus dem Fenster."
Der Frogh begann am ganzen Körper zu zittern, und es gab an ihm eine ganze Menge zu zittern. Der lange Wurm bemerkte mit Interesse, wie der Schlangenleib sich rosa zu verfärben begann. So etwa mußte ein junger Leutnant aussehen, dem ein Rekrut gerade empfohlen hatte, sich die Stiefel selbst zu putzen.
„Elender!" zischelte der erboste Zoowächter. „Du wagst es ...?"
„Du suchst einen Springer", unterbrach Gucky erneut respektlos. „Warum ausgerechnet hier? Antworte, sonst kannst du was erleben."
Der Mausbiber verlor allmählich die Geduld, außerdem sah er ein, daß es für ihn nun kein Zurück mehr gab.
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