0052 - Der falsche Inspekteur
Respekt bei, mein Sohn!"
Rodrigo vergaß seine gute Erziehung.
Mit einem Wutschrei stürzte er sich auf den Mausbiber, der sich nur ein wenig aufrichtete und ihm entgegenblickte. Als der Graf zustoßen wollte, spürte er plötzlich einen starken Ruck im Handgelenk. Der Schmerz war so groß, daß er den Degen fahren ließ. Zu seiner maßlosen Verblüffung machte die Waffe sich selbständig, beschrieb eine flache Kurve und raste mit der Spitze in den nächsten Baumstamm. Fast zwanzig Zentimeter tief drang der Degen ein und blieb zitternd stecken.
Rodrigo starrte abwechselnd auf Gucky und den schwankenden Degen.
Gucky nickte triumphierend, hoppelte zu Laury und nahm ihre herabhängende Hand.
„Nicht wahr", piepste er zärtlich, „du hast dich doch nicht in den Hampelmann dort verliebt?" Aber Laury zog die Hand zurück. „Du bist gemein, Gucky!" schluchzte sie und ging zu ihrem Geliebten, um ihm ihre Hand auf die Schulter zu legen. „Nicht aufregen, Rodi. Gucky meint es nicht so. Er liebt nun einmal seine skurrilen Scherze. Verzeih ihm, wenn du kannst."
Graf Rodrigo bewies, daß er großmütig sein konnte. Er streichelte zärtlich Laurys Arm und ging dann zu dem Mausbiber.
„Ein köstlicher Zauberscherz, Gucky. Du mußt mir den Trick bei Gelegenheit zeigen. Fortan soll Friede zwischen uns sein."
Gucky nahm die ausgestreckte Hand in seine kleine Pfote.
„Einverstanden. Und was den Trick angeht ..."
Niemand hatte weiter auf den Piloten des Lufttaxis geachtet, der durch Berzans Begrüßung von der falschen Identität des Inspekteurs erfahren hatte. Der Ara war zurückgewichen und nutzte die allgemeine Verwirrung dazu, in die Kabine seines Gleiters zu steigen. Ehe jemand es verhindern konnte, stieg er mit dem Gefährt senkrecht in die Höhe.
Rhodan bemerkte es zuerst, dann Gucky.
„Ich hole den Kerl zurück", erbot er sich und begann, sich auf den kurzen Sprung zu konzentrieren, aber Rhodan schüttelte den Kopf.
„Laß nur, Gucky. Soll er die Trulaner alarmieren. Wir verschwinden jetzt von hier. Wenn sie kommen, suchen sie am falschen Ort."
Er schwieg. Aus dem Haus kam ein dritter Springer, ein Rotkopf mit einem mächtigen Bart und der Figur eines Preisringers. Mit einem prüfenden Blick auf Rhodan schritt er auf die Gruppe zu.
„Sie", sagte er und betrachtete Rhodans Uniform, wie man ein seltenes Ausstellungsstück betrachten mochte, „sind also der falsche Inspekteur?"
„Haben Sie etwas dagegen, mein Freund?"
„Im Gegenteil", lachte der Rotkopf breit und behäbig. „Ich habe nichts mit der Falle zu tun, in die Sie gerieten." Er wartete, bis auch die anderen aufmerksam geworden waren und ihm zuhörten. Was er zu sagen hatte, ging sie alle an. „Ich schlage vor. Sie kümmern sich jetzt um ein neues Versteck - und das sehr schnell. Vor wenigen Minuten landeten auf dem Raumhafen von Trulan eine Luxusjacht und zwei Schwere Kreuzer des Imperiums. Inspekteur Glogol wird sich freuen, auf Tolimon einen Kollegen vorzufinden."
Marshall sah abwechselnd von Tulin auf Rhodan.
Rhodan lächelte den Rotbärtigen freundlich an.
„Danke für Ihren Rat, mein Freund. Ich denke, wir verabschieden uns nun. Haben Sie noch Wünsche?"
„Nein", sagte Tulin barsch. „Nur den, daß Sie bald von hier verschwinden, denn die Polizei wird bald wissen, daß ein Taxi Sie hierhergebracht hat. Wir möchten, daß sie hier bei uns niemand finden. Verstanden?"
„Sie sind nicht freundlich, dafür aber erfrischend aufrichtig", lobte Rhodan und gab seinen Leuten einen Wink. „Kommt, Freunde. Graf, vergessen Sie Ihren Degen nicht aus dem Baum zu ziehen. Wir haben einen längeren Spaziergang vor uns, darum müssen wir uns beeilen." Er winkte den Springern zu.
„Nochmals vielen Dank für Ihre bisherige Hilfe. Mehr können wir nicht verlangen. Lebt wohl!"
Etwas ratlos folgten Laury und Rodrigo dem vorangehenden Rhodan und Marshall. Gucky machte watschelnd den Schluß. Aus den auf ihn einstürmenden Gedankenimpulsen erkannte er nur zu deutlich, daß Trulan einem aufgeschreckten Hornissenschwarm glich. Die Jagd hatte begonnen.
*
Als es offensichtlich wurde, daß man einem frechen Betrüger zum Opfer gefallen war, paarte sich die Scham über die zugefügte Demütigung mit der Wut des Geprellten. Die Sicherheitsbehörden und die Fremdenüberwachungszentrale setzten alle verfügbaren Kräfte ein, des verschwundenen „Inspekteurs" habhaft zu werden, ohne, daß man sich darüber klar wurde, welchen Zweck der Verschwundene
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