0053 - Der Hexer aus der Todeszelle
Umwelt abgeschnitten«, sagte Nicole erleichtert.
»Er kann die Telefone jederzeit unbrauchbar machen, wenn er will«, erwiderte Zamorra.
Nicoles Miene wurde eisig. »Musstest du mir das unbedingt sagen?«
»Hat es einen Sinn, sich selbst zu täuschen?« erwiderte der Professor.
»Jeder Mensch braucht einen Strohhalm, an den er sich klammern kann.«
»Dein Strohhalm bin ich«, bemerkte Zamorra.
Nicole wurde sarkastisch. »Tja, was könnte mir dann noch passieren?« Ihr Blick wanderte zum Fenster. Zamorra sah sofort, wie sich ihre Augen weiteten. Was hatte sie nun schon wieder entdeckt. Der Professor wirbelte unverzüglich herum. Auch Bill starrte in die gleiche Richtung wie Nicole.
Auf einem eigens dafür angefertigten Ständer hing die rote Kutte des Hexers. Über ihr bauschte sich die Kapuze.
Bill Fleming stieß den Freund aufgeregt an. »Diese Kutte hat Carl Lyman in der vergangenen Nacht getragen!«
Zamorra nickte. »Diese oder eine ähnliche.«
Sie verließen den Raum, begaben sich zum Obergeschoß hinauf.
Hier wurden die Zimmer verteilt. Nicole Duval nahm das, das zwischen dem von Bill und jenem von Zamorra lag. Sie sagte, so würde sie sich am sichersten fühlen.
Plötzlich ging ein kräftiges Beben durch das gesamte Gebäude.
Glas klirrte, Holz knackte, Türen schepperten. Schaudernd blickte Nicole ihren Chef an. Fleming keuchte: »Ist er das ebenfalls?«
Zamorra nickte mit zusammengepressten Kiefern. Und dann dröhnte eine grollende Stimme durch das Gebäude: »Wer wagt es, meine Ruhe zu stören!« Geisterhaft hallte dieser wütende Ruf durch alle Räume. Nachdem er verhallt war, verebbte auch das Beben. Bill Fleming eilte die Stufen hinunter. Er dachte, Lyman irgendwo entdecken zu können. Auch Zamorra und Nicole Duval begaben sich ins Erdgeschoß. Da kam ihnen Bill mit fahlen Wangen und schreckgeweiteten Augen entgegengelaufen und schrie: »Die Kutte ist weg! Er hat sich seine Kutte geholt!«
Zamorra überzeugte sich selbst davon. Es stimmte. Der Ständer war leer. Die Kutte des Hexers war verschwunden.
***
Das Abendessen bestand aus einer dünnen Kohlsuppe, aus Bratkartoffeln und einem Stück zähen Rindfleisch, das unangenehm zwischen den Zähnen hängen blieb. An den Tischreihen saßen auf langen Bänken die Häftlinge in Reih und Glied. Dazwischen stakten die Aufseher auf und ab, um auf Ordnung zu achten. Die Gefangenen löffelten mit mehr oder weniger großem Appetit.
Pedro Santana schob den halbleeren Teller von sich. Demonstrativ verschränkte er die Arme vor der Brust und knurrte: »Saufraß. Davon krepiert man ja.«
George Ponte hob das stets gerötete Gesicht. »Willst du was anderes haben, Boss? Der Küchenbulle ist ‘n Freund von mir. Ich könnte ihm…«
Santana winkte mürrisch ab. »Lass nur, George. Ich bin schon satt.« Er schaute Robinson an. »Du tauschst jetzt mit Pete Moreno den Platz, John.«
Robinson war mit dem Essen noch nicht fertig. Trotzdem nickte er sofort.
»Okay, Boss.«
»Sag ihm, ich habe mit ihm ein ernstes Wort zu reden«, grollte Santana.
»Mach ich, Boss. Und wenn er nicht kommen will?«
Santana schaute Robinson verwundert an. »Ich hör’ wohl nicht richtig. Wenn er nicht kommen will, ersäufst du ihn in seiner Kohlsuppe.«
»Okay, Boss«, nickte Robinson und machte den Platz neben Santana frei. Die Sache von gestern Nacht war bereits von Santana geradegebogen worden. Santana hatte die Aufseher kaltschnäuzig unter Druck gesetzt, worauf diese darauf verzichteten, Robinson dem Gefängnisdirektor vorzuführen. Santana! dachte Robinson und grinste insgeheim. Ein Gott hier drinnen im Knast. Dem ist nichts unmöglich.
Er erreichte Pete Moreno, einen schwarzhaarigen Kerl mit Ambosskinn Backenmuskeln, die wie Drahtseile hervortraten, und Schultern, die manch einen allein schon beim Hinsehen in die Knie zwangen. »Sorry, dass ich dich stören muss, Kumpel. Du sollst zu Santana rüberkommen.«
»Was gibt’s?« fragte er, als er neben dem gebürtigen Mexikaner saß.
Pedro Santana blickte ihn aus schmalen Augen an. »Du machst mir Kummer, mein Junge.«
»Okay. Und Robinson macht mir Kummer. Er reißt sein dreckiges Maul zu weit auf, Santana. Das mag ich nicht.«
»Hör mal, seit wann interessiert denn jemanden, was du magst und was nicht? Mir ist zu Ohren gekommen, dass du neuerdings ‘ne Traumrolle übernommen hast: spielst ‘nen Widerstandskämpfer oder so, he? Hast du dir schon mal überlegt, dass so etwas verdammt ins Auge gehen
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