0053 - Der Hexer aus der Todeszelle
Robinson in die gefährlichen Augen schaute.
»Na, Junge. Wie ist das werte Befinden?«
»Beschissen«, sagte Cannon ehrlich.
»Was bedrückt dich?«
»Du weißt schon.«
»Ich habe soeben mit Santana über dich gesprochen.«
»So?«
»Er meint, es ist ‘ne verdammt große Schweinerei, wenn ‘ne Ratte sich mit dem Gedanken beschäftigt, pfeifen zu wollen.«
Cannon schaute zu Santana hinüber. Der hatte sich abgewandt und diskutierte gestenreich mit George Ponte.
»Was möchte er damit ausdrücken, he?«, fragte Cannon heiser.
»Kannst du’s dir nicht denken? Junge, Pedro Santana ist ein groß- mütiger Mensch, das wirst du nicht bestreiten können. Und zu seinen Freunden ist er wie ein Vater. Aber wenn er merkt, dass ihm einer ein Bein stellen möchte, dann kann er verdammt sauer reagieren. Und das komische bei Santana ist, dass er immer schon reagiert, bevor der andere was getan hat. Du kennst ihn doch. Brauche ich dir mehr zu erzählen?«
Cannon blickte Robinson ärgerlich an. »Was soll das Geschwafel. Hat er dich mit einer Botschaft zu mir geschickt? Dann spuck sie aus und zieh wieder Leine. Ich möchte allein sein.«
Robinson verzog das Gesicht zu einem giftigen Grinsen. »Ist nicht gut, wirklich nicht, soviel allein zu sein, soviel nachzudenken, glaub mir, Leif. Der Boss lässt dir ausrichten, du sollst keinen Quatsch machen und auch weiterhin die Schnauze halten!«
»Wie kommt er darauf, dass ich reden möchte?«
»Er hat’s einfach im Gefühl. Ist ‘n prima Menschenkenner, unser Boss.«
Cannon brauste ärgerlich auf: »Verdammt noch mal, du redest von ihm, als wäre er ein König. Er ist ein Häftling wie du und ich.«
»Ist er eben nicht. Mensch, Leif, hast du immer noch nicht gemerkt, was hier im Knast gespielt wird? Also wenn du das noch nicht gespannt hast, dann hast du wohl nicht viel Grips in deinem Schädel. Santana kann machen, was er will. Nur raus kann er nicht. Aber hier drinnen ist er der uneingeschränkte Herrscher. Je eher du dich damit abfindest, desto besser für dich. Niemand außer ihm hat hier das große Sagen. Du hast erlebt, wie es den Typen geht, die sich offen gegen ihn stellen. Carl Lyman musste sogleich abtreten. Und wenn du lebend aus dem Knast kommen willst, beachte meinen gut gemeinten Rat: Halt die Schnauze und vergiss, was in der Wäscherei vorgefallen ist. Die Aufseher können sich natürlich denken, wer Lyman abgeknipst hat. Aber sie kriegen es von niemandem bestätigt. So soll es auch in Zukunft bleiben, verstanden? Noch mal: Du kennst Santana. Er ist ein herzensguter Mensch, wenn er weiß, dass man ihn mag. Wenn er aber spitzkriegt, dass jemand die Absicht hat, ihn zu verpfeifen, kann er verdammt ungemütlich werden.«
Cannon fuhr sich nervös über die Augen. »Er hätte Lyman nicht erschlagen dürfen!«, presste er heiser hervor.
»Hör mal, das hat er doch nicht absichtlich getan.«
»Doch, John. Doch, das hat er.«
»Also ich muss es doch besser wissen als du!«
»Er hat Lyman mit voller Absicht erschlagen!«, sagte Cannon beharrlich.
Robinson kam einen Schritt näher und raunte: »Junge, das behältst du besser ganz allein für dich. Es war ein Unfall, verstanden? Ein ganz bedauerlicher Unfall.«
Leif Cannon schaute Robinson konsterniert an. »Wie kannst du nur mit solch einer gewaltigen Lüge leben?«
»Ach, das macht mir keine großen Schwierigkeiten«, gab Robinson grinsend zurück. »Und dir empfehle ich: Breite den Mantel des Vergessens über die ganze Geschichte. Dann wirst du hier im Knast noch ein prima Leben haben.«
Cannon senkte den Blick und schüttelte den Kopf. Verzweifelt sagte er: »Ich kann es nicht vergessen! Herrgott noch mal, mir war dieser Lyman genauso zuwider wie euch. Aber ich werde niemals vergessen können, was ihr ihm vor meinen Augen angetan habt.«
»Nun spiel jetzt nicht den Zimperlichen, verdammt noch mal. Weswegen sitzt du denn? Du hast einen Typ erschlagen!«
»Das war Totschlag. Das wollte ich nicht. Ich hatte Pech.«
»Fest steht, dass du einen umgelegt hast. Santana hat nichts anderes getan.«
»O nein. Bei Santana war es vorsätzlicher Mord!«
»Für dich war’s ein Unfall. Halte dir immer vor Augen, dass du dabei gewesen bist, Leif!«
Robinsons Stimme hatte sich gesenkt. Unheil schwang in ihr mit.
Er starrte den Jungen mit seinen bösen Augen durchdringend an.
»Wie viele Jahre hast du noch?«
Cannon schluckte trocken. Sein Adamsapfel jagte auf und ab.
»Zwei«, seufzte er.
Robinson grinste.
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