0053 - Die Geisterhand
wirklich eine Frau, die allein mit ihrem Körper Männer um den Verstand bringen konnte. Das dünne Etwas, das ihr bis knapp unter die Knie reichte, verbarg nur wenig.
Shao lächelte mich an und strich die langen, pechschwarzen Haare zur Seite.
»Hi, John«, sagte sie.
Ich räusperte mich. »Hallo.«
Suko meinte grinsend: »Zieh dir was über, Mädchen, sonst bekommt John noch Schwielen in seine Pupillen.«
»Oh«, machte sie und verschwand.
»Du gönnst mir auch nichts«, sagte ich.
Suko streifte sein Hemd über. »Wenn Jane dich so gesehen hätte…«
»Mensch, sei ruhig, sie ist nebenan.«
»Fährt sie mit?«
»Leider.«
»Worum geht es eigentlich?« wollte Suko wissen.
Ich erzählte es ihm in Stichworten.
Er rieb sich die Hände. »Na, das wird ein Fest«, sagte er.
Ich deutete auf die Schlafzimmertür. »Was ist mit Shao?«
»Die sagt nichts. Da ist sie anders als die liebe Sheila, die Bill ganz schön im Griff hat.«
Ich verteidigte meinen Freund. »Bill ist schließlich Vater.«
»Vielleicht werde ich es auch einmal.«
Ich schaute Suko nur an und sagte: »Ich gehe jetzt und ziehe mich um. In zehn Minuten ist Abmarsch.«
Als ich mein Apartment betrat, empfing mich Jane mit einem um den Oberkörper gewickelten Handtuch. Oben hatte sie es nicht so sehr fest verknotet, und ich wurde leicht unruhig. Erst Shao, die Exotin, dann Jane, das Rasseweib mit den langen blonden Haaren.
Was ich alles innerhalb einer Viertelstunde geboten bekam? Sagenhaft. Jane bemerkte meinen Blick und schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, mein lieber John.«
»Okay, okay. Ich gehe schon.«
Auch ich hüpfte unter die Dusche, rubbelte mich anschließend ab und schlüpfte in frische Kleidung. Die Detektivin hatte sich inzwischen auch angezogen.
»Können wir?«
Sie nickte.
Da klopfte Suko schon. »Alles klar«, sagte er und begrüßte Jane Collins mit einem leichten Klaps auf ihr Hinterteil.
Sie bekam große Augen. »Was ist in dich gefahren?« fragte sie erstaunt. »So kenne ich dich gar nicht.«
Ich grinste. »Das macht Shao. Die Kleine hat unserem Freund ganz schön eingeheizt.«
Jane nickte. »Das glaube ich auch.« Sie schaute Suko forschend an. »Bin gespannt, was aus euch beiden noch einmal wird…«
***
Wir mußten auf die andere Seite der Themse, um unser Ziel zu erreichen. Das Lokal lag in Southwork, einem Londoner Stadtteil. Hier leben zahlreiche Ausländer.
Wir fuhren über die Blackfriars Bridge. Es herrschte um diese Zeit kaum Verkehr, und in unsere Richtung verirrte sich nur selten ein Mensch.
Über die breite Blackfriars Road ging es in Richtung Süden. Die Straße endete am St. George’s Circus, doch soweit wollten wir gar nicht. Wir überquerten eine Eisenbahnlinie und rollten dann in die Union Street ein.
Damit befanden wir uns mitten im Kneipenviertel von Southwork.
Es präsentierte sich anders als Soho. Es gab zwar auch Leuchtreklamen, aber die waren nicht so grell und anreißerisch wie auf der anderen Seite der Themse. Die Kneipen hier wurden von Leuten besucht, die den Shilling noch umdrehen mußten.
Die Whisper Hell fiel etwas aus dem Rahmen. Erstens konnte man schräg neben dem Lokal parken, und zweitens stand ein Portier vor dem Eingang.
Ich hielt an, stieg aus und wartete, bis Suko den Wagen verlassen hatte. Dann beugte ich mich noch einmal zurück, um mit Jane zu sprechen, die das Seitenfenster hatte herunterfahren lassen.
Der Portier beobachtete uns interessiert.
»Du weißt Bescheid«, sagte ich zu Jane. »Wenn wir in einer halben Stunde nicht zurück sind, alarmierst du die Polizei.«
Jane nickte. »Gebt auf euch acht!«
Ich lächelte. »Natürlich.«
Suko war bereits einige Schritte vorgegangen. Ich holte ihn ein, und wir schritten gemeinsam auf die Whisper Hell zu.
Gegenüber flog gerade ein Mann aus einem Pub. Er überschlug sich und beschimpfte die Gaffer, die ihm gefolgt waren. Dann rappelte er sich hoch und verschwand.
Der Portier vor der Flüster-Hölle schaute gar nicht hin. Er war sicherlich Schlimmeres gewöhnt.
Uns sah er jedoch an.
Zum Glück kannte er mich nicht, und deshalb konnte er auch keine Warnung loslassen.
Suko spielte den großen Gangster. »Was ist, Gevatter? Läßt du mich und meinen Boß nicht rein?«
Der Portier – er hatte die Figur eines Catchers – trat zur Seite. »Aber natürlich, Gentlemen.« Er ließ uns vorbeimarschieren.
Wir gelangten in eine Garderobe, hinter der eine verblühte Bordsteinschwalbe sich um die Mäntel und Hüte
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