0053 - Die Geisterhand
kümmerte. Sie schenkte uns ein Faltenlächeln, obwohl wir nichts abgaben.
Durch einen zur Seite geschobenen Vorhang konnten wir in das Lokal hineinschauen.
Auf den ersten Blick schien es voll zu sein.
Die Musik plätscherte leise und man konnte sich im normalen Tonfall unterhalten. Deshalb auch der Name Flüster-Hölle. Wir fanden an der Bar und den Tischen ein bunt zusammengewürfeltes Publikum vor. Und es waren in der Tat einige hundert Jahre Zuchthaus versammelt.
Ich sah ein paar bekannte Gesichter, entdeckte jedoch auch zahlreiche dunkelhäutige Männer, die so bunt gekleidet waren, daß man ihnen ihren Zuhälter-Job bereits aus fünf Meilen Entfernung ansah.
Es fiel auf, daß sich sehr wenig Frauen in der Flüster-Hölle befanden. Doch was hier gesprochen wurde, war für Damenohren ohnehin nicht geeignet.
Wir mogelten uns bis zur Theke durch, bekamen auch zwei Plätze und schauten uns nach dem Wirt um.
Ich kannte Nose Farrit, sah ihn aber nicht. Nur zwei Ober hantierten vor dem langen Flaschenregal. Sie brachten die bestellten Getränke an die Tische.
Von den halblaut geführten Gesprächen konnte ich kaum ein Wort verstehen. Suko saß links neben mir, der Mann an meiner rechten Seite hockte vornübergebeut, hatte seine angewinkelten Ellenbogen auf den Handlauf gestützt und starrte in sein Bierglas.
Ich bestellte zwei Bitter-Lemon.
Als die Getränke gebracht wurden, hielt ich den Mann zurück. »Hör mal, Buddy, wo ist Nose Farrit?«
»Hinten.«
»Ich will ihn sprechen.«
Der Knabe schaute mich lauernd an. »Nose will aber nicht gestört werden.«
Ich zeigte meine Zähne. »Bestelle ihm, daß ein Freund aus der Victoria Street wartet. Dann wird er kommen.«
Ich hoffte darauf, daß der Mixer mit der Victoria Street nicht viel anfangen konnte. Nose Farrit würde sicherlich schneller schalten.
»Gut, ich sag’s ihm!«
Während der Bursche telefonierte, zündete ich mir eine Zigarette an. Mit Suko sprach ich kein Wort. Als der Mann den Hörer auflegte, nickte er mir zu.
»Farrit wird kommen«, murmelte ich.
Suko grinste. »Die Victoria Street hat bestimmt gezogen.«
Zwei Minuten später war Nose Farrit da. Jetzt sah auch Suko, weshalb der Mann den Spitznamen Nose – wie Nase – bekommen hatte. Aus seinem Gesicht ragte ein gewaltiges Riechorgan hervor. Hinzu kam die fast feuerrote Farbe, so daß von dem übrigen Gesicht kaum etwas auffiel. Zusätzlich brachte Nose Farrit bestimmt drei Zentner auf die Waage. Er fand kaum Platz hinter dem Tresen.
Als er mich sah, lächelte er. Es war jedoch kein freundliches, sondern ein bissiges, freudloses Lächeln. Langsam bewegte er sich auf uns zu.
»Hallo, Sinclair. Ihrem Gesicht nach zu urteilen, sind Sie dienstlich hier.«
»So ist es, Nose.«
»Und?«
Ich deutete über meine linke Schulter. »Sollen wir uns nicht ein gemütliches Plätzchen suchen?«
»Sie vertreiben mir die Gäste.«
»Ich kann auch eine Razzia durchführen lassen«, gab ich ihm zu verstehen.
»Okay, ich meinte ja nur.«
»Das ist fein.« Ich rutschte vom Hocker. »Gehen wir.«
Er nickte.
Auch Suko machte Platz.
Nose Farrit hob ein Thekenstück hoch und quetschte sich durch den breiten Spalt. Einige Gäste schauten uns verwundert an, als wir zu einem runden Tisch dicht an der Wand schritten. Sie ahnten wohl etwas und begannen zu flüstern.
Die Stühle waren stabil, wie für Nose gemacht.
»Also, worum geht es?«
»Um Mord!«
Der Wirt zuckte zusammen. Plötzlich wetterleuchtete es in seinen kleinen Augen. Seine Hände begannen ein unruhiges Spiel, und einem vorbeilaufenden Kellner nahm er einen Longdrink ab.
»Damit habe ich nichts zu tun, Sinclair.«
»Das hat auch keiner behauptet. Ich möchte von dir nur einige Informationen.«
»Darf man fragen, wer umgebracht worden ist?«
Ich beugte mich vor. »Man darf, Nose. Der Mann heißt Kronos. Ted Kronos.«
»Müßte ich den kennen?«
»Es wäre besser für dich.«
»Tut mir leid, aber ich…«
»Augenblick, Nose.« Ich griff in die Tasche und holte ein Foto hervor. Es zeigte die Leiche oder vielmehr das Gesicht. Ich schob die Aufnahme über den Tisch. »Fällt dir jetzt was ein?«
Der Wirt schaute sich die Aufnahme an und knetete seine enorme Nase.
»Nein«, sagte er, »mit dem habe ich nie gesprochen.«
»Aber gesehen hast du ihn?« Ich steckte die Aufnahme wieder ein.
Die Antwort kam zögernd. »Ja.«
»Er war bei dir und hat nicht mit dir gesprochen. Mit wem dann?« Rasch schoß ich die nächste Frage
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