0054 - Die grüne Hölle von Florida
Schulter.
»Wieso… Wieso sind Sie gerade in dem Augenblick hier aufgetaucht, wo ich Ihre Hilfe am dringendsten brauchte?«
»Ich hatte Sie in der Polo longue geschlagen, und ich wollte Sie fragen, ob Sie das wieder vergessen könnten.«
»Ich hab’ die Schläge verdient, Mr. Sinclair. Sie brauchen deswegen keine Gewissensbisse zu haben.«
»Freut mich, daß Sie nicht nachtragend sind, Clive.«
Das Lächeln, das Brook versuchte, mißlang kläglich. »Wie könnte ich meinem Lebensretter etwas nachtragen?«
Ich blickte mich um. Keine Frage: Clive Brook hatte hier am Kai den Vampir Zubin Zagarro getroffen. Der Blutsauger hatte sich schnell in die Dunkelheit zurückgezogen, als er meine Schritte hörte. Aber er mußte sich nicht weit abgesetzt haben.
Ich fragte Brook, ob er die Kraft hätte, einen Augenblick allein zu bleiben. Der Sänger zündete sich mit zitternden Händen eine Zigarette an und versprach, auf meine Rückkehr zu warten.
Ich eilte zu jenem finsteren Durchlaß, in dem Zubin Zagarro gelauert hatte. Sicherheitshalber öffnete ich mein Hemd. Mein geweihtes Silberkreuz wurde sichtbar. Es reflektierte das bleiche Mondlicht.
Bevor ich in die Dunkelheit eintauchte, warf ich noch einen Blick zurück. Rauchend stand Clive Brook am Kai. Er bewegte sich nicht von der Stelle. Der Schreck mußte ihm gehörig in die Glieder gefahren sein. Er tat mir leid. Der morgige Sängerwettstreit verlangte von ihm volle Konzentration und totalen Einsatz. Würde er dazu nach diesem furchtbaren Erlebnis in der Lage sein?
Finsternis umgab mich.
Ich konnte kaum die Hand vor den Augen sehen. Es roch nach fauligem Abfall. Mein Fuß stieß gegen jenen Unrat, der in den Mülltonnen keinen Platz mehr gefunden hatte.
Ein unangenehmes Prickeln war in meinem Nacken.
Würde ich dem Vampir hier begegnen?
Meine Augen verengten sich. Meine Kiefer waren fest aufeinandergepreßt. Was war bloß aus dem unbeschwerten Urlaub geworden, den ich hier mit Suko hatte halten wollen.
Meine Ohren lauschten angestrengt in die Dunkelheit. Kein Geräusch verriet mir, daß sich Zubin Zagarro in meiner Nähe befand. Hatte er das Weite gesucht?
Oder wartete er in dieser undurchdringlichen Finsternis auf die Chance, über mich herzufallen und mein Blut zu trinken?
Ich blieb stehen und nahm mein Kruzifix ab. Zubin Zagarro mußte es fürchten. Ich konnte ihm damit nicht nur große Pein bereiten. Ich war damit sogar in der Lage, ihn tödlich zu treffen.
Aber Zubin Zagarro ließ sich nicht blicken. Ich schlich weiter. Schon nach zwei Schritten ein Geräusch!
Mein Herz setzte aus.
Ich kreiselte herum. Blech klapperte. Dann vernahm ich den aufgeregten Schrei einer Katze, die erschrocken Reißaus nahm. Beinahe hätte ich geflucht. Ich mag Katzen. Aber nicht, wenn sie mich erschrecken. Langsam normalisierte sich mein Pulsschlag wieder. Meine Hände waren feucht. Auch auf meiner Oberlippe lag ein dünner Schweißfilm.
Der Durchlaß endete vor einer hohen Mauer. Ich entdeckte eine Tür, versuchte sie zu öffnen. Unmöglich. Es war abgeschlossen. Mißtrauisch machte ich kehrt. Hatte ich etwas übersehen? Mir schien dies nicht der Fall zu sein, deshalb ging ich zu Clive Brook zurück, der immer noch genau da stand, wo ich ihn verlassen hatte.
»Konnten Sie keine Spur von ihm entdecken?« fragte der Sänger.
»Leider nein.«
»Aber – Sie glauben mir doch, was ich Ihnen erzählt habe, nicht wahr?«
»Ich habe keine Veranlassung, Ihnen nicht zu glauben«, erwiderte ich. »Kommen Sie, wir begeben uns wieder ins Hotel.«
Mit düsterem Blick trottete Clive Brook neben mir.
***
Drue London war ein Fleischberg mit glattrasierter Kojak-Glatze und mächtigem Dschingis-Kahn-Bart. Ein eiskalter Gangster, der über Leichen ging, ohne mit der Wimper zu zucken.
Vor fünf Jahren hatte Drue London in Fort Lauderdale noch nicht das große Sagen gehabt. Damals hatte, er noch die zweite Geige gespielt. Als rechte Hand des einstigen Gangsterbosses Russ Coleman. Aber so nach und nach waren Russ Coleman die Zügel entglitten. Drue London nutzte ein paar von Colemans Schwächen geschickt und bootete den Mann schließlich aus.
Daraufhin gab es zwischen den wenigen Freunden, die noch zu Coleman hielten, und jenen Männern, die sich auf Londons Seite geschlagen hatten, einen erbitterten Kampf bis aufs Messer.
Russ Coleman und seine Leute wurden in den darauffolgenden Monaten nach und nach ins Leichenhaus eingeliefert, wo sie Drue London nicht mehr schaden konnten, und
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