0054 - Die grüne Hölle von Florida
Das Fleisch löste sich von seinem Gesichtsknochen. Der bleiche Totenschädel kam zum Vorschein.
Röchelnd fiel Zubin Zagarro auf den Rücken.
Und dann schritt der Verfall sehr schnell fort.
Das Tageslicht verwüstete den Körper des Schattenwesens total. Die Gliedmaßen brachen ab. Der Torso zerfiel.
Aus Zubin Zagarro wurde grauer Staub, den der Wind mit seinen unsichtbaren Fingern aufhob und weit über dem braun schimmernden Sumpf verstreute.
Die Schlacht war geschlagen.
Fort Lauderdale war eine schreckliche Bedrohung los. Die Menschen in dieser Stadt durften aufatmen.
Und Zubin Zagarro konnten sie vergessen.
***
Wir kehrten nach Fort Lauderdale zurück. Ich informierte vom Baltimore Hotel aus Captain Basil Pagett, der mich zu meinem Erfolg beglückwünschte. Auch ich konnte dem Captain gratulieren. Es war ihm gelungen, drei Mitglieder von Drue Londons Rollkommando zum Reden zu bringen. Was sie von sich gaben, reichte aus, um den Gangsterboß für etliche Jahre ins Zuchthaus zu bringen.
Nach diesem Telefonat gönnte ich mir ein paar Stunden Schlaf. Das Mittagessen nahmen Suko und ich erst am späten Nachmittag ein. Oder war es bereits früher Abend? Was soll’s. Uns störte es nicht.
Mit vierundzwanzigstündiger Verspätung ging dann der Sängerwettbewerb in Terence Robards’ Bar über die Bühne.
Butch Wooleys Schützlingen war der Sieg nicht zu nehmen.
Wir applaudierten den vier sympathischen jungen Leuten so kräftig, daß uns die Handflächen brannten.
Wooley verhandelte noch in derselben Nacht mit dem Vertreter einer angesehenen Fernsehanstalt. Das Angebot gefiel dem fuchsschlauen Manager. Er akzeptierte es sofort, ohne irgendwelche weitere Bedingungen daran zu knüpfen.
Sieg und TV-Angebot wurden in der Polo longue unseres Hotels gebührend mit Champagner gefeiert.
Terence Robards gesellte sich in den Morgenstunden zu uns. »Ich hatte noch keine Zeit, mich für Ihre große Hilfe zu bedanken, Mr. Sinclair.«
Ich legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Vergessen Sie’s, Mr. Robards. Es war mir ein Vergnügen, Ihnen zu helfen.«
Der Barbesitzer holte umständlich seine Brieftasche hervor. Gleich darauf flatterte ein Scheck auf den Tisch.
Ich warf einen Blick auf die Summe und schüttelte sofort den Kopf. »Das kommt überhaupt nicht in Frage, Robards. Stecken Sie den Scheck schnell wieder ein, oder haben Sie die Absicht, mich zu beleidigen?«
Er ließ den Scheck liegen.
»Wenn Sie nicht gewesen wären, wäre das mit dem Schutzzoll ewig so weitergegangen, Mr. Sinclair. Was sind dagegen schon zehntausend Dollar?«
Ich ergriff den Scheck, jedoch nicht, um ihn einzustecken, sondern um ihn zu zerreißen.
»Ich helfe nicht für Geld, merken Sie sich das.«
Robards hob verlegen die Schultern. »Tja, dann kann ich nur sagen, daß Sie in meiner Bar jederzeit willkommen sind und daß alles, was Sie dort konsumieren, gratis ist. Dasselbe gilt natürlich auch für Ihren Freund Suko.«
Ach ja, Suko.
Der schwebte im siebten Himmel, denn seit er der Journalistin das Leben gerettet hatte, hatte das attraktive Mädchen nur noch Augen für ihn. Er war so fröhlich, wie ich ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte. Er sprühte vor Charme und Mutterwitz und war als fantastischer Unterhalter, in dessen Gesellschaft sich Rachel March keine Minute langweilte.
Es machte mir nichts aus, daß die Journalistin tags darauf das geplante Exklusivinterview nicht mit mir, sondern mit meinem Partner machte.
Im Gegenteil. Ich begrüßte das sogar.
Und so entwickelten sich die restlichen Tage, die wir noch in Fort Lauderdale blieben, zu recht passablen Ferien.
Als wir Abschied nahmen von Rachel March, war vor allem Suko sicher, daß er die Journalistin irgendwann mal wiedersehen würde.
Sie hatte Tränen in den Augen, als wir zum Flugzeug gingen. Suko konnte nicht verstehen, warum.
Wozu die Tränen?
Es war doch eine schöne Zeit gewesen, die sie zusammen verbracht hatten – und es würde wieder schön sein, wenn… nichts dazwischenkam.
ENDE
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