0054 - Die Schlucht der Vampire
Freundin. Sie küßten sich zum Abschied auf die Wangen. »Sag dir immer: Solange keine offizielle Meldung vorliegt, daß Zamorra tot ist, lebt er noch.«
Nicole lächelte matt. »Du bist rührend, Senta.«
»Laß bald von dir hören!« verlangte die Freundin.
»Ja«, nickte Nicole Duval. »Ich melde mich, sobald ich Gewißheit habe.« Ihr Flug wurde aufgerufen. Sie eilte zum Abflugschalter…
***
Jemand ohrfeigte ihn. Benommen schlug Professor Zamorra die Augen auf. Er hatte einen fauligen Geschmack im Mund, bemerkte, daß er mit dem Gesicht auf dem Boden lag und drehte sich langsam auf den Rücken. Dabei ächzte er wie ein alter Mann.
Das Gesicht, das über ihm pendelte war rund. Zamorra sah zwei besorgte Augen darin schimmern und erkannte erst nach einigen Sekunden, daß der Mann, der ihn geohrfeigt hatte, Maurice Massenet war. Seufzend setzte Zamorra sich auf. In seinem Hinterkopf hallten dumpfe Schläge. Ein gewaltiger Schmerz ließ ihn jäh zusammenfahren. Er verzog das Gesicht und fletschte die Zähne. Ihm war, als hätte ihn jemand mit einer glühenden Nadel mitten ins Gehirn gestochen.
»Was ist passiert, Professor?« fragte der Missionar aufgeregt.
»Wieso waren Sie ohnmächtig? Wieso liegen Sie hier?«
»Wieso haben Sie mich gefunden?« fragte Zamorra zurück.
»Ich wachte auf. Ich sah, daß Sie nicht bei uns waren und ging Sie suchen. Ich machte mir Sorgen um Sie.«
»Sie sind sehr liebenswürdig, Monsieur«, sagte Zamorra und erhob sich. Massenet wollte ihn stützen, doch Zamorra lehnte dankend ab.
Zwar schaukelte der Boden noch etwas unter seinen bebenden Füßen, aber es bestand keine Gefahr, daß er noch einmal umfiel.
Jetzt erst entdeckte Zamorra das Fehlen der Pistole. Er begann sie sofort zu suchen. Massenet wollte wissen, wonach er suchte. Er sagte es ihm, und nun schnüffelte auch der Missionar über den überwucherten Boden. Aber weder er noch Zamorra vermochten die Waffe wiederzufinden.
Da begriff Zamorra. Selbst tagelanges Suchen hätte die Pistole nicht mehr zum Vorschein gebracht. Sie war ihm abgenommen worden.
Er dachte: Verflucht, da hat jemand mit uns eine ganz große Gemeinheit im Sinn! Ohne Waffe kein Fleisch mehr. Und auch keine Verteidigungsmöglichkeit! Aber deshalb waren die zwanzig Menschen, die ein unerbittliches Schicksal in den Urwald verschlagen hatte, noch lange nicht verloren.
Massenet und auch Zamorra kannten Blätter und Wurzeln, die genießbar waren. Solange es diese Nahrung gab, würden sie keinen Hunger leiden. Und solange sie im Dschungel waren, würde es solche genießbare Blätter, Pilze und Wurzeln für sie geben…
Wieder wollte der Missionar wissen, was passiert war. Zamorra schaute sich mißtrauisch um.
»Sie wurden niedergeschlagen, nicht wahr?« fragte Massenet.
Zamorra hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Er suchte das bernsteinfarbene Augenpaar, konnte es aber nirgendwo entdecken.
Trotzdem war er ganz sicher, daß dieser unheimliche Dämon, der ihn niedergeschlagen und entwaffnet hatte, immer noch ganz in seiner Nähe war.
»Ja«, sagte er zu Massenet. »Ja, ich wurde niedergeschlagen.«
»Von wem?«
»Keine Ahnung.«
»Weshalb haben Sie das Lager verlassen, Professor?«
Zamorra erzählte es ihm. Vermied es aber, von einem Dämon zu sprechen.
»Kommen Sie«, zischte Massenet. »Gehen wir zu den anderen zurück.«
»Fürchten Sie sich?« fragte Zamorra.
»Ehrlich gesagt – ja.«
Sie kehrten um.
Der Missionar blieb unvermittelt stehen und räusperte sich. »Im Vertrauen, Professor… Ich habe Ihnen nicht alles über diese Gegend gesagt.«
»Was haben Sie verschwiegen?« erkundigte sich Zamorra.
»In diesem Dschungel lebt ein Negerstamm… Diese Leute sind Menschenfresser!«
Auch das noch! dachte Zamorra.
»Sie wissen bestimmt schon, daß wir da sind«, sagte Massenet gepreßt.
»Hatten Sie schon mal Kontakt mit ihnen?«
»Himmel, nein«, flüsterte Massenet erschrocken. »Dann würde ich vermutlich jetzt nicht vor Ihnen stehen. Vielleicht hat einer dieser Neger Sie niedergeschlagen.«
Zamorra nickte. »Ja. Vielleicht.« Aber er war anderer Meinung.
Jene Bestie, die ihn vorhin niedergeschlagen hatte, war kein menschliches Wesen gewesen. Keine Augen leuchten so erschreckend hell in der Dunkelheit.
»Sie verwenden Giftpfeile«, erzählte Massenet gepreßt. »Der Dschungel selbst schenkt ihnen dieses Gift. Kennen Sie die zu den Euphorbien gehörenden Sträucher?«
Zamorra schüttelte den Kopf.
Massenet erläuterte: »Der
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