0054 - Die Schlucht der Vampire
gedämpft.
Fleming schaute sie an und wußte, was sie andeuten wollte.
»Bruchlandung? Ein defektes Funkgerät? Hundertzwanzig Tote – plus Besatzung?«
Nicole Duval nickte zaghaft. Es tat ihr bis in die Seele hinein weh, an so etwas denken zu müssen. Aber hatte es einen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken? Konnte man eine Wahrheit dadurch ungeschehen machen, indem man sie einfach nicht akzeptierte?
»Wir suchen jetzt Roger Metrane auf und sagen ihm, was wir vorhaben«, sagte Bill Fleming.
Sie verließen das Hotel ›The President‹.
Zehn Minuten später betraten sie Metranes Office. Der Mann war klein, hatte eine romanisch gebogene Nase, sah aus wie ein Paradefranzose, war galant und freundlich.
»Zigarette?« fragte er Nicole und Bill. Die beiden griffen zu, als er ihnen seine silberne Zigarettendose aufgeklappt hinhielt. Auch Feuer bekamen sie von ihm. Hinter ihm an der Wand hing eine Karte von Südafrika. Deutlich waren die Provinzen eingezeichnet: Buschveld. Betschuanaland. Namaqualand… Auf dem klobigen Schreibtisch standen vier Telefone. Manchmal schlugen sie gleichzeitig an.
Metrane war mächtig eingespannt. Zwischen den Telefonaten fand er Zeit, Nicole und Bill zu erläutern, was sich über dem Afrikanischen Kontinent abspielte.
»Wir sind nun schon so weit, daß jeder Staat auf seinem Gebiet zu suchen begonnen hat«, erzählte Metrane. Er legte eine Karte auf den Tisch und strich mit einem Filzschreiber ab, was schon ergebnislos gefilzt worden war. »Bald kann ich den ganzen Kontinent abstreichen«, sagte Metrane seufzend. Er sog nervös an seiner Zigarette.
»Glauben Sie mir, ich bin ein alter Hase in diesem Geschäft. Aber so etwas ist mir noch nicht untergekommen.«
Wieder schlugen zwei Telefone gleichzeitig an. Metrane hob beide Hörer ab. Wenn sich alle Männer so einsetzten wie er, mußte die Maschine in den nächsten vierundzwanzig Stunden gefunden werden.
Bill eröffnete dem Einsatzleiter der Suchtrupps, Nicole und er wollten sich an der Suche beteiligen.
»Wie stellen Sie sich das vor?« fragte Metrane verwundert.
»Gibt es auf dem Jan-Smuts-Flughafen Privatmaschinen zu mieten?« erkundigte sich Bill.
»Das ist nicht billig«, warnte Metrane.
»Hauptsache, es gibt welche«, erwiderte Fleming. Er teilte dem Franzosen mit, wo er nach der verschollenen Maschine zu suchen gedachte. Metrane nahm es zur Kenntnis und bat den Amerikaner, sich zweimal am Tag über Funk mit seinem Büro in Verbindung zu setzen. Fleming versprach das.
***
Meter um Meter mußten sie dem hartnäckigen Dschungel abringen.
Der Pfad, der sich durch den Urwald schlängelte, schien seit Jahren nicht mehr benutzt worden zu sein. Myriaden von Fliegen umsummten die zwanzigköpfige Schar. Jeder, der ein Messer hatte, schnitt Äste und Lianen ab. Seit Tagesanbruch hatte Zamorra nicht mehr das Gefühl, beobachtet zu werden. Trotzdem wußte er, daß es nicht zwanzig Personen waren, die sich durch den Dschungel schlugen, sondern einundzwanzig. Schon jetzt rechnete Zamorra damit, jenem unheimlichen Wesen bei Einbruch der Dunkelheit wieder zu begegnen.
Sie kamen schleppend voran.
Männer und Frauen waren erschöpft. Massenet und Zamorra hielten nach den Menschenfressern Ausschau. Doch kein Schwarzer ließ sich in ihrer Nähe blicken.
Drückende Schwüle herrschte im Tropenwald. Über ihren Köpfen sausten Flugeichhörnchen von Ast zu Ast. Graupapageien stimmten ein fürchterliches Protestgeschrei an, als sich die Männer immer näher an sie heranarbeiteten. Eine Gruppe Schimpansen stimmte in dieses Gekreische ein.
Plötzlich brüllte ein Mensch.
Zamorra blickte Robert Holm an, der mit seinem Messer neben ihm ging und sich genau wie er in den Urwald hineinschnitt.
Ein zweiter Mann schrie.
Und eine Frau.
Dann: »Zamorra! Professor Zamorra! Kommen Sie schnell!« Das war die Stimme von Maurice Massenet.
Atemlos hastete Zamorra zurück. Frauen und Männer wichen zur Seite. Zamorra hörte das Brüllen eines Mannes. Dann sah er ihn.
Schaum stand vor seinem Mund. Er lag auf dem Rücken. Bianco und Massenet hielten ihn fest. Sein Gesicht war knallrot. Seine Augen waren weit aus den Höhlen getreten. Er warf den Kopf wild hin und her, schrie und kreischte und spuckte.
Der Mann hieß Tony Dobson. Er war Vertreter einer englischen Baufirma, die in Südafrika das große Geschäft machen wollte. Deshalb hatte sie den wortgewandten Dobson losgeschickt, um erst mal das Terrain zu sondieren und für die Firmenchefs
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