0054 - Wir und der Hellseher

lachte schallend über seinen Witz.
    »Wie viel Dollar erhalten Sie für die Story?«, fragte Allyn.
    »Dreitausend, schätze ich.«
    »Das wären dreihundert für mich. Sagen Sie sechshundert und zwanzig Prozent von jedem weiteren Honorar, das Sie für Berichte über meinen Onkel bekommen.«
    »Räuber«, lachte Drolbeen. »Trotzdem einverstanden. Die ersten sechshundert können Sie sich holen, sobald unsere Kasse geöffnet hat. Jetzt legen Sie sich hin.«
    Allyn war von der Möglichkeit, großes Geld zu machen, bereits so eingefangen, dass er an keinen Widerspruch mehr dachte.
    Um sieben Uhr ließ Drolbeen ihm eine Tasse Kaffee einverleiben, packte ihn und einen Fotografen in seinen Wagen, setzte sich selbst hinter das Steuer und sagte: »Die Adresse!«
    Allyn schluckte, dann antwortete er: »64. Straße Nummer 957.«
    Was die unbekannten Männer vor zehn Stunden mit ihren Fäusten geschafft hatten, vollbrachte jetzt die Verlockung des Geldes.
    Als sie vor der angegebenen Adresse vorfuhren und ausstiegen, fotografierte auf Drolbeens Anweisung der Bildberichter die schmutzige und öde Straße des Puerto Ricaner-Viertels.
    Dann gingen sie hinauf.
    »Halten Sie sich für eine Blitzlichtaufnahme bereit, falls er uns die Tür vor der Nase zuknallen sollte«, ordnete Drolbeen an.
    Allyn klingelte. Nichts rührte sich hinter der Tür. Er klingelte noch einmal, ohne dass geöffnet wurde.
    »Vielleicht schläft er noch«, meinte der Reporter.
    Steven Allyns bemächtigte sich Unruhe.
    »Unsinn, Onkel Ham steht früh auf.« Er drückte anhaltend auf den Klingelknopf.
    Nichts.
    »Brechen wir die Tür auf!«, schlug Allyn vor.
    »Einverstanden!«
    Ein paar kräftige Stöße mit den Schultern genügten, um das harmlose Schloss zu sprengen.
    Die Wohnung war leer. Das Bett war benutzt, aber leer. Einige Schubladen waren durchwühlt worden. Die Tür des Kleiderschranks stand offen.
    »Los, mach Bilder«, freute sich Drolbeen und rieb sich die Hände. »Hellseher entführt! Das ist eine Schlagzeile, die noch mehr hinhaut als ein Bild.«
    »Ich benachrichtige die Polizei«, sagte Allyn.
    ***
    Durch Steven Allyns Anruf erfuhren Phil und ich die ganze Geschichte zu einer Stunde, als sie jeder New Yorker bereits in der Zeitung lesen konnte.
    Die Untersuchung der Wohnung Thornwell Hamiltons bot keine Anhaltspunkte. Natürlich sah es so aus, als wäre er entführt worden, und zwar mit Gewalt, und das blaue Auge von Drolbeen und die gewaltsame Befragung Allyns sprachen für diese Theorie, aber ebenso gut konnte Hamilton selbst die Spuren der Gewalttätigkeit zur Tarnung hinterlassen haben.
    Wir verhörten die Bewohner des Hauses. Niemand wollte Besonderes bemerkt haben. In diesem Viertel ging es gewöhnlich nachts lebhaft zu. Es gab Schlägereien und Krach auf der Straße, um die sich niemand kümmerte.
    Wir versiegelten die Wohnung und fuhren zum Hauptquartier zurück. Ich richtete vorher ein paar harte Worte an Drolbeen, die sich der Bursche grinsend anhörte. Er wusste genau, dass ich keine Handhabe hatte, ihm zu verbieten, das in seiner Zeitung zu schreiben, was er wusste.
    Unterwegs kaufte sich Phil ein Exemplar von New York Look, und in unserem Büro setzte er sich in seinen Sessel und las, während ich vor ihm auf und ab marschierte und heraussprudelte, was ich auf dem Herzen hatte.
    »Cresbyl, Toretti, wahrscheinlich auch Blacktum. Und jetzt diesen alten Hamilton! Und für alles das gibt es kein richtiges Motiv. Warum wurde Cresbyl umgebracht? Warum wurden Blacktum und Toretti ermordet?«
    »Weil sie es waren, die Cresbyl umbrachten«, knurrte Phil hinter seiner Zeitung hervor.
    »Aber warum hat denn Hamilton dafür gesorgt, dass Irene Cresbyl entlassen werden musste? Es bleibt doch einfach keine andere Lösung, als dass zwei konkurrierende Gangsterbanden sich gegenseitig die Geschäfte durchkreuzen. Cresbyl wurde umgebracht, weil er zu der einen Bande gehörte. Hamilton gehörte zu der anderen und sorgte durch diesen Hellsehertrick dafür, dass auf die richtigen Täter hingewiesen wurde, worauf der einen Bande nichts anderes übrig blieb, als ihre eigenen Leute umzubringen. Darauf wollten sie sich natürlich den angeblichen Hellseher kaufen. Vielleicht schafften sie es, vielleicht auch verschwand Hamilton rechtzeitig. Also: zwei Banden und das gleiche Geschäft. Leider wissen wir nicht, um welche Banden und nicht einmal, um welches Geschäft es sich handelt.«
    »Hör auf«, sagte Phil und faltete die Zeitung zusammen. »Das, was