0058 - Meer der mordenden Hände
erklären!«, rief Rich.
»Willst du mitten durch diese Wolke fliegen?«, fragte Jodie ängstlich.
»Warum nicht? Ist ja nicht groß.«
»Zieh die Maschine hoch, Alain. Flieg oben drüber!«, schrie Jodie nervös.
»Du brauchst davor keine Angst zu haben. Ist nichts weiter als ‘ne Nebelbank, Jodie!«
»Flieg oben drüber. Ich bitte dich, Alain.«
Der Pilot lachte. »Du hast doch nicht etwa Angst vorm Nebel, Mädchen. Ich bin schon durch Brühen geflogen, da habe ich die Hand nicht vor den Augen gesehen. Und nichts ist passiert. Mach dir keine Sorgen, Baby. Ich bin in der Luft zu Hause. Wölkchen wie diese schaffe ich mit links.«
Jodie Wofford nagte nervös an der Unterlippe.
Sie kam aus England, war gebürtige Londonerin. Sie war mit dem Nebel aufgewachsen. Nein, vor dem Nebel hatte sie keine Angst, er war ihr vertraut. Aber das da vorn schien ihr kein gewöhnlicher Nebel zu sein. Sie wusste nicht, woher sie ihre Vermutung nahm, aber für sie stand es fest, dass diese Schwadenwolke einen unheimlichen, gefährlichen Ursprung hatte.
Vielleicht war sie empfindsamer für drohende Gefahren, bestimmt war sie sensibler als der robuste Pilot. Wahrscheinlich hatte sie die bessere Antenne, mit der sie jene Wellen, die Gefahren aussenden, früher auffing als Alain Rich.
Er hielt genau auf die Wolke zu.
Warum machte er das? Sie hatte ihn doch gebeten, es nicht zu tun.
Warum flog er direkt auf dieses Unheil zu?
In der nächsten Sekunde war es bereits zu spät, dem Nebel auszuweichen. Das Flugzeug bohrte sich mitten in die wabernde Wand hinein.
Jodie hielt unwillkürlich den Atem an. Geisterhafte Nebelfinger griffen nach ihr. Sie erschrak. Etwas strich ihr übers Gesicht. Das war nicht bloß Luft. Das hatte Körper. Etwas zischelte an ihrem Ohr.
Jodie stieß einen krächzenden Schrei aus, als sich eine unsichtbare Hand auf ihren Busen legte.
Plötzlich hatte sie das Gefühl, zu ersticken. Sie japste nach Luft, aber sie bekam nichts in die Kehle.
Alain ging des genauso.
Auch er rang verzweifelt nach Luft. Jodie konnte deutlich sehen, wie eine Nebelhand Alains Mund zuhielt.
Plötzlich begann der Flugzeugmotor zu stottern. Die Maschine sackte beängstigend rasch ab. Rich schlug mit den Armen verzweifelt um sich.
Kalter Schweiß brach Jodie aus allen Poren. Todesangst schüttelte sie. Alain kümmerte sich nicht mehr um das Steuer. Das Flugzeug schoss im schrägen Winkel auf das Meer zu.
Augenblicke später kam der furchtbare Aufprall auf der Wasseroberfläche, die zu kochen schien. Mit einem hässlichen Gurgeln erstarb das Motorengebrüll. Der zuckende Propeller drehte sich noch zweimal und schraubte sich in die Tiefe des Meeres hinunter.
Jodie Wofford und Alain Rich wurden in hohem Bogen aus dem Flugzeug geschleudert.
Sie klatschten ins Wasser.
Das Meer war hart wie ein Eichenbrett. Jetzt wich die schreckliche Atemnot. Jodie keuchte und schluchzte. Sie schlug wie verrückt um sich.
»Alain!«, kreischte sie verstört. »Alain! Alain, wo bist du?«
Sie konnte Rich nirgendwo sehen, drehte sich immer und immer wieder um die eigene Achse, fühlte sich allein und verlassen in der endlosen Weite des größten Ozeans dieser Welt.
»Alain!«, jammerte sie. Und sie strampelte mit den Beinen, um an der Oberfläche zu bleiben. Das Kleid schlang sich um ihre Füße, behinderte sie. Sie verfing sich im schwimmenden Stoff. Das beeinträchtigte ihre Bewegungsfreiheit. Sie dachte, sie wäre verloren. Sie glaubte, dass sie gleich untergehen würde. Dieser Schock machte sie halb wahnsinnig.
»Alain!«, schrie sie wieder. Warum meldete er sich nicht? Lebte er nicht mehr? War er bereits untergegangen? Dann war sie allein. »O mein Gott!«, stöhnte das bedauernswerte Mädchen verstört. »Mein Gott!«
Ein neuer Schock traf sie wie ein gewaltiger Stromstoß.
Haie!
Jedermann weiß, dass die Südsee von diesen blutgierigen Räubern geradezu verseucht ist.
Alain gab keine Antwort mehr.
Für Jodie Wofford konnte das nur eines heißen: Er war bereits ein Opfer der mordenden Bestien geworden. Entsetzt drehte sie sich um. Ängstlich suchte sie nach den verräterischen Dreiecksflossen.
Alain hatten sie sich schon geholt. Wann würden diese blutrünstigen Teufel ihre Zähne in ihr Fleisch schlagen?
Der wabernde Schleier bekam plötzlich Risse.
Und dann hörte das Mädchen ihren Namen. Ganz dünn vernahm sie ihn. Eine Stimme, die von weither zu kommen schien.
»Jodie! Jodie, wo bist du?«
Das war Alain. Der Nebel dämpfte
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