0059 - Der Dämon aus der Tiefe
Eindrücke in das Mikrophon seines tragbaren Tonbandgerätes. Mario Vadana umrundete die Steinfigur immer wieder.
»Ein Kunstwerk«, sagte er beeindruckt, »wie ich noch kein perfekteres gesehen habe. Es scheint fast so, als wäre hier nicht eine Figur aus Stein gehauen worden, sondern ein lebender Körper wäre zu Stein geworden.«
Zamorra nickte ernst. »Und der kann jederzeit wieder zu neuem Leben erwachen.«
»Das ist eine unbewiesene Behauptung!«, widersprach Granger sofort.
»Wenn sich diese Behauptung erst mal beweist…«, sagte Zamorra ärgerlich. Er unterbrach sich dann aber selbst. Er wollte die Zukunft nicht schwarz färben.
»Was ist dann?«, fragte Granger bohrend.
»Mann«, knurrte Zamorra mit zusammengezogenen Brauen, »wünschen Sie sich das lieber nicht.«
»So etwas kann doch überhaupt nicht passieren, Zamorra. Verraten Sie mir mal, warum Sie uns unbedingt Angst machen wollen.«
Zamorra wies mit dem Daumen auf Sarra. »Vorhin sagten Sie, Sie hätten den Eindruck gehabt, er wäre innen hohl.«
»Allerdings«, nickte Fabian Granger.
»Ist diese Statue hohl, Vadana?«, fragte Zamorra den Kunstexperten.
»Soweit sich das feststehen lässt, nein, Professor Zamorra.«
Der Parapsychologe nickte. »Er ist nicht hohl. Das, was Sie so leicht empfunden haben, Fabian, ist das Leben, das sich in ihm befindet!«
»Sie können wohl nicht anders, wie? Sie müssen den Menschen mit Ihren Schauermärchen fortwährend auf den Wecker fallen, Zamorra!«
»Verdammt noch mal, Fabian, ich finde, du vergreifst dich etwas im Ton!«, rief nun Bill Fleming ärgerlich aus. »Vergiss nicht, dass Zamorra mein Freund ist. Er sagt, was er über die Sache denkt. Es steht dir nicht zu, ihm sein Recht auf eine eigene Meinung abzusprechen!«
Granger senkte den Kopf. Er seufzte und hob die Schultern. »Bill hat recht, Professor. Entschuldigen Sie. Aber ich bin in einer solchen Hochstimmung, dass es mich ärgerlich macht, wenn mir einer dieses herrliche Gefühl kaputtmachen will.« Granger streckte Zamorra die Hand entgegen. »Wollen wir uns wieder vertragen?«
»Okay«, sagte Zamorra und schlug ein. »Wenn ich noch etwas dazu sagen dürfte…«
»Nur zu«, nickte Granger.
»Ich hoffe für uns alle, dass ich mich irre.«
Granger lachte. »Das hoffe ich auch.«
Sie begaben sich unter Deck, um das freudige Ereignis zu begießen. Das steinerne Monster mit dem scheußlichen Drachenschädel blieb steif und starr auf dem Achterdeck im grellen Licht der Sonne stehen.
Aber die Statue warf keinen Schatten!
***
Nach dem dritten Glas stahl sich Carl Nessy unbemerkt nach oben.
Die anderen Expeditionsteilnehmer diskutierten lautstark. Zamorra äußerte die Absicht, Sarra bis ins Museum zu begleiten. Zuvor aber wollte er seinen silbernen Talisman aus dem Hotel holen. Mit dem Amulett würde es ihm vermutlich möglich sein, Sarra für alle Zeiten auf seinen Standfleck im Museum zu bannen und somit unschädlich zu machen. Fabian Granger hatte nichts dagegen, dass sich Zamorra mit seinem Zauberamulett um Sarra kümmern wollte.
Wenn es nicht nützte, meinte er, schaden könne es auf keinen Fall.
Nessy hörte Wayne und Bill Fleming Witze reißen. Eine helle Stimme lachte darüber. Nicole Duval. Ein nettes Mädchen. Der Kameramann hatte sie auf Anhieb gemocht.
Nessy trat in die Sonne. Er wollte sich jetzt in aller Ruhe dem steinernen Götzen widmen. In seinen Händen lag eine teure japanische Spiegelreflexkamera. Der Fotograf wollte sich Detailaufnahmen holen. Einen ganzen Film wollte er verschießen.
Was Sarra gestern durch Vadanas Mund angekündigt hatte, tat der Kameramann als vergangen und vergessen ab. Wenn Sarra ihm etwas antun hätte können, dann hätte er das bestimmt längst getan.
Nessy stellte Entfernung und Blende ein. Er ging mit dem Weitwinkelobjektiv so nahe wie möglich an das starre Monster heran.
Nun blickte er durch den Sucher. Klick. Die erste Aufnahme. Nessy transportierte den Film weiter. Nächste Aufnahme: Klick. Drittes Foto, viertes… Der Fotograf war mit größtem Eifer bei der Sache. Es fiel ihm nicht auf, dass mit einemmal Leben in Sarras Augen war.
Der Drachenschädel regte sich nach wie vor nicht. Aber das unheimliche Augenpaar folgte dem Kameramann, wohin dieser sich auch begab.
Nessy machte seine letzten Aufnahmen.
Ihm fiel zwar auf, dass es rings um die Statue keinen Schatten gab, aber er dachte sich nichts dabei.
Teufel, Untote und Dämonen haben keinen Schatten.
Doch das kam Carl Nessy
Weitere Kostenlose Bücher