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006 - In der weißen Hölle

006 - In der weißen Hölle

Titel: 006 - In der weißen Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
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rasselte. Matt vermutete, dass der Pfeil einen Lungenflügel durchbohrt hatte. Wenn die innere Blutung nicht aufhörte, war Aruula rettungslos verloren. Inmitten der eisigen Wildnis würden sie jämmerlich erfrieren - sie mussten versuchen, die Siedlung der Narka zu erreichen.
    Matt setzte die junge Frau vor sich in den Sattel und umschlang sie mit beiden Armen, während er den Efranten höher und höher in das verschneite Gebirge trieb. Für eine Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, ritten sie durch eine bizarre Landschaft aus Schnee, Eis und Fels, die im fahlen Mondlicht düster und unheimlich erschien. Mit jeder Stunde, die verstrich, verschlechterte sich Aruulas Zustand. Die Lebenszeichen, die sie hin und wieder von sich gab, wurden schwächer, ihr Atem ging flach und keuchend.
    Mehrmals legte Matt Pausen ein, prüfte ihren Puls und befühlte ihre Stirn, stellte fest, dass sie fieberte. Panik stieg in Matt auf. Die Angst, dass Aruula an den Folgen ihrer Verwundung sterben könnte, ohne dass er auch nur die Chance gehabt hatte, ihr zu helfen, machte ihn halb verrückt. Abgesehen von ein paar Schmerzmitteln gab es in seinem Medikit nichts, was er Aruula verabreichen konnte. Sie brauchte einen Arzt, ein Krankenhaus, einen gut bestückten Operationssaal - doch in dieser barbarisch primitiven Welt gab es nichts von alledem.
    Aruulas Haut war blass geworden, Blut rann ihr in dünnen Rinnsalen aus den Mundwinkeln.
    Die Abstände, in denen sie das Bewusstsein verlor, wurden immer kürzer. Vielleicht war es besser so - auf diese Weise fühlte sie nicht die schrecklichen Schmerzen, die ihren Körper peinigten. Matt schluckte hart. Wenn kein Wunder geschah, würde Aruula die Nacht nicht überleben…
    Aruula war wieder ein kleines Mädchen.
    Sie stand bis zu den Knien im kalten Wasser des Flusses und versuchte mit bloßen Händen einen der Xaalaa zu fangen, die mit der Strömung den Fluss herabkamen.
    Immer wieder stießen die Hände des Mädchens ins Wasser, bemüht, eines .der langen glitschigen Tiere zu fassen -vergeblich. Aruula musste lachen, quiekte vor Vergnügen, wenn sie spürte, dass sich die Tiere um ihre nackten Beine schlängelten, um sofort wieder mit der Strömung davon zugleiten.
    Aruula ließ sich in ihrem Vorhaben nicht beirren. Immer wieder griff sie ins Wasser, trachtete danach, mit bloßen Händen zu erwischen, was nicht zu fassen war. Ausgelassen sprang sie durch das Flussbett, fiel mehrmals der Länge nach hin, so dass das kurze Fellhemd, das sie trug, völlig durchnässt an ihr hing.
    Das Mädchen lachte.
    Drüben, auf der grünen Wiese, sah sie Leute stehen, Angehörige ihres Volkes der dreizehn Inseln. Aruula winkte ihnen zu, und sie winkten zurück. Dann, plötzlich, waren sie fort, und ein dunkler Schatten zog auf, der sich binnen weniger Augenblicke über das ganze Land ausbreitete. Er verschlang die grünen Wiesen und den Fluss, überdeckte die Gipfel der Berge. Aruula merkte, dass Kälte nach ihrem Herzen griff. Todeskälte. Sie blickte nach oben und sah, wie ein gewaltiger Vogel am Himmel her aufzog und die Sonne verfinsterte. Seine Flügel waren so gewaltig wie das Firmament, sein Körper so schwarz wie die Nacht. Sein Schrei war so laut und durchdringend, dass Aruula zitternd zusammenfuhr. Der dunkle Schatten breitete sich aus, legte sich drückend und düster auf ihr Herz. Entsetzt starrte Aruula zu dem Vogel empor, dessen Schwingen die Luft zum Erzittern brachten.
    »Es ist Krahac, der Totenvogel«, hörte sie eine ferne Stimme sagen. »Er kommt aus seinem dunklen Reich, um Lese zu halten unter den Sterblichen. Wann immer sein Schrei ertönt und seine Schwingen die Sonne verfinstern, wird jemand sterben. Du wirst sterben, Aruula…«
    Das kleine Mädchen stieß einen Schrei aus, fuhr herum und wollte davonlaufen - aber es ging nicht. Die Xaalaa, die mit dem dunklen Vogel im Bunde zu stehen schienen, hatten sich dutzendfach um ihre Füße gewickelt und ließen sie nicht los. Entsetzt blickte Aruula zum Himmel hinauf. In diesem Moment erblickte sie der Vogel.
    Unter kraftvollen Schlägen der mächtigen Schwingen änderte er seinen Kurs, gab ein heiseres Kreischen von sich und stieß auf Aruula herab - ein schrecklicher Jäger, der seine Beute gefunden hatte…
    ***
    Als nach langem Ritt endlich die gedrungenen Hütten des Narka-Dorfes vor ihnen auftauchten, atmete Matt auf.
    »Wir sind da, Aruula«, raunte er seiner Gefährtin zu, die bewusstlos in seinen Armen lag. Er hatte ihre

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