0060 - Festung Atlantis
verlassen. Der zweite Planet war nur noch als blasses Scheibchen zwischen den dünngesäten Sternen dieses Milchstraßensektors zu sehen.
Als der Kreuzer endlich an unsere Breitseite gefesselt war, meldete sich der Kommandierende Offizier des Bergungskommandos.
Leutnant Cunor blickte erstaunt auf meinen leichten Raumanzug. Ich klappte soeben den Helm über den Kopf und regulierte die Sauerstoffversorgung ein.
„Du gehst mit. Erhabener?" erkundigte er sich verwirrt.
„Allerdings", wies ich ihn knapp zurecht. „Bist du soweit?"
Fünfzehn Minuten später öffneten wir die untere Luftschleuse des Leichten Kreuzers, dessen Besatzung auf keinen Funkanruf mehr antwortete.
Wir stiegen mit fünfzig Mann ein. Ich hatte meine Waffe schußbereit in den Händen. Kapitän Tarts war entgegen meiner Anordnung ebenfalls mitgekommen. Ich hörte seine schweren Atemzüge im Lautsprecher meines Helmgerätes. Ich wollte ihn nicht rügen, aber er verstand meinen Blick. Unmutig runzelte er die Brauen.
Es war, als hätte die MATATO niemals eine Besatzung besessen. Wir durchstreiften praktisch jeden Raum, aber nirgends war ein Mann zu finden.
In der Zentrale des völlig intakten und unbeschädigten Schiffes trafen sich die einzelnen Suchtrupps.
Für mich war eine ganze Vorstellungswelt zusammengebrochen.
Jeder, der hereinkam, breitete hilflos die Hände aus. Niemals zuvor hatte ich meine Männer so betroffen gesehen. Immer häufiger dachte ich an die Warnungen des Planungsoffiziers Feltif. Hatte er nicht von einem plötzlichen Verschwinden lebender Wesen gesprochen?
Als ich noch nachgrübelte, vernahm ich den drängenden Ruf. Jemand schrie nach Leutnant Cunor. Wir rannten zu dem bezeichneten Raum. Als man mir Platz machte, glaubte ich, mein Herz müsse aufhören zu schlagen.
Ein Mann der MATATO-Besatzung lag auf dem Boden. Sein Oberkörper war bis hinab zu den Oberschenkeln hart und fest wie Stein, aber seine Beine schlugen umher, als wäre er in größter Panik bemüht, vor einer unheimlichen Erscheinung die Flucht zu ergreifen.
Es war ein Bild, das harte Männer erblassen ließ. Ich unterdrückte ein Ächzen, stieß Leutnant Cunor zur Seite und kniete neben dem Hilflosen nieder.
Als ich seinen Körper anheben wollte, gelang es mir nicht. Er war nicht nur wie fester Fels, sondern er wog auch soviel. Die Dichte des Organismus mußte sich grenzenlos gesteigert haben. Nur die zuckenden, über die Bodenplatten schabenden Beine fühlten sich normal an.
Ich machte einem Arzt Platz. Er versuchte, dem so eigenartig Verwundeten eine Injektion zu verabreichen. Es war unmöglich.
„Was ist das? So rede doch, was ist das?" schrie ich den Mediziner an. Er sah mich blaß und unsicher an. Er wußte es nicht. Ich ordnete an, den Soldaten an Bord der TOSOMA zu bringen und dort alles zu versuchen, ihn wiederherzustellen. Ich ahnte, daß es sinnlos war.
Auf mein Flaggschiff zurückgekehrt, schleuste ich eine Notbesatzung aus. Niemals zuvor hatte ich die Männer so zögernd in ein Raumschiff der Flotte einsteigen sehen. Etwas Unheimliches, nicht Erfaßbares war geschehen.
Als wir wieder auf Kurs gegangen waren und die Landung dicht bevorstand, ließ sich Grun, mein Chefmathematiker, bei mir melden. Er erschien mit seinem Stab.
Grun war von relativ kleinem Wuchs und recht alt. Seiner auffallend glatten Haut sah man jedoch an, daß er eine biomedizinische Verjüngung erhalten hatte. Der Große Rat ging immer häufiger dazu über, wirklich fähigen und unersetzbaren Männern noch einige Lebensjahre zu schenken. Früher wäre es unmöglich gewesen, auf einen einfachen Antrag hin die Aktivierungsgenehmigung zu erhalten. Nun aber brauchten wir die Könner. Grun gehörte zu ihnen.
Kapitän Tarts hielt nebenan eine BF-Besprechung mit den Kommandanten ab. Ich widmete mich dem Wissenschaftler.
„Die Sache ist mehr ein physikalisches als ein medizinisches Rätsel, Erhabener", erklärte er. „Der Verletzte lebt. Die Nervenleiter der Beine ist stillgelegt worden. Wir haben beobachtet, daß sich die völlig erstarrt wirkende Hand des Mannes im Verlauf der letzten Stunde um etwa drei Millimeter nach links bewegte. Ich hatte entsprechende Anweisungen erlassen. Ich vermute, daß die totale Verdichtung des organischen Gewebes auf einen relativistischen Zeiteffekt zurückzuführen ist. Der in unserem Sinne normale Bewegungsablauf scheint für den Verletzten keine Gültigkeit mehr zu haben, was allerdings auf die Beine nicht zutrifft."
„Wahnsinn!"
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